20 Jahre alte Tarife für Azubis

Sachsen-Anhalt: Entlohnung auch laut IHK oft zu gering

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Magdeburg. Sie werden Friseurin, Fleischer oder Karosseriebauer: Viele Auszubildende verdienen während der Ausbildung in Sachsen-Anhalt einen Hungerlohn - nicht einmal 500 Euro. Wie aus der Antwort der Landesregierung auf eine Kleine Anfrage des SPD-Abgeordneten Andreas Steppuhn hervorgeht, basieren einige Ausbildungsvergütungen auf teils 20 Jahre alten Tarifverträgen. Sachsen-Anhalt wird derzeit von einer Koalition aus CDU, SPD und Grünen regiert, die Sozialdemokraten sind seit 1994 - mit einer kurzen Unterbrechung - an Landesregierungen beteiligt.

Laut Regierungsantwort auf die SPD-Anfrage werden etwa Friseur-Azubis in Sachsen-Anhalt nach einem 1997 festgesetzten Tarifvorschlag bezahlt: Im ersten Jahr mit gerade einmal 153 Euro monatlich, im dritten mit knapp über 200 Euro. Auch andere körperlich anstrengende Berufe wie der des Fleischers werden nur spärlich entlohnt. Hier erhalten Azubis zu Beginn der Ausbildung 350 Euro, am Ende 490 Euro. Weitere betroffene Branchen sind die Metallverarbeitung, der Fahrzeugbau sowie das Verkehrsgewerbe. Allein zwischen 2015 und 2017 wurden bei der Industrie- und Handelskammer (IHK) Magdeburg 120 Fälle von Ausbildungsvergütungen als nicht angemessen bezeichnet. Bei der IHK Halle-Dessau waren es nach den Angaben 96.

»Dumping-Ausbildungsvergütungen schrecken junge Menschen ab und stehen im Widerspruch zu allen Bemühungen, junge Menschen als Fachkräfte zu gewinnen und auszubilden«, erklärte Steppuhn, der arbeitsmarktpolitischer Sprecher und stellvertretender Vorsitzender der SPD-Fraktion ist. »Offensichtlich kommt es zum Beispiel im Friseurhandwerk, aber auch in der Metallbranche zur Ausbeutung von jungen Menschen während der Ausbildung. Anders kann man die Dumpingbedingungen bei Ausbildungsvergütungen nicht bewerten.« Zudem gebe es ganze Branchen ohne gültige Ausbildungsvergütungen wie etwa die Callcenter. »Das ist nicht akzeptabel und muss sich ändern«, forderte Steppuhn.

Angesichts einer Vielzahl unbesetzter Ausbildungsplätze und des drohenden Fachkräftemangels bestehe akuter Handlungsbedarf, betonte der SPD-Politiker. »Eine Lösung des Problems wäre es, analog dem Mindestlohn auch eine gesetzlich festgelegte Mindestausbildungsvergütung einzuführen.« Neben dem Gesetzgeber seien aber auch Arbeitgeber und Kammern gefragt, für ordentliche und faire Ausbildungsvergütungen zu sorgen.

Mit Blick auf die besonders geringen Ausbildungsvergütungen für Friseur-Azubis im Land verwies Christel Tempel von der Gewerkschaft ver.di auf andere Bundesländer, in denen bereits neue Tarifverträge abgeschlossen worden seien. »Hier, wo es dringend erforderlich wäre, gibt es keinerlei Reaktion des Landesinnungsverbandes Thüringen/Sachsen-Anhalt.« Sie bezeichnete das als Ignoranz.

Thorsten Gröger von der IG Metall im Bereich Niedersachsen und Sachsen-Anhalt kritisiert die Vergütungen ebenfalls. »Arbeitgeber klagen gerne über einen Fachkräftemangel, gleichzeitig versuchen aber etliche von ihnen nach wie vor, Auszubildende mit Krümeln abzuspeisen.« dpa/nd

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