Tricksen für das 0,7-Prozent-Ziel
Martin Ling über mangelnde Hilfe durch die EU-Staaten
Es ist schon peinlich genug: Kaum ein reiches Land hat bisher das bereits 1972 ausgegebene Ziel der Vereinten Nationen erreicht. 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens in die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) zu stecken. Das gilt auch für die Staaten der Europäischen Union, die sich 2005 das Erreichen der Zielmarke bis 2015 gesetzt hatten. Bis auf Schweden, Norwegen, Luxemburg, Dänemark und die Niederlande hat es noch kein Land ohne Tricks geschafft. Derzeit wird die Front der EU-Staaten breiter, die bei den Hilfszahlungen kreativ wird. Nochmitglied Großbritannien, aber auch Belgien, Frankreich und Portugal wollen vermehrt Kosten für Militär und für Sicherheit zu ihrer Entwicklungshilfe hinzuzählen, um bessere Zahlen vorweisen zu können.
Deutschland geht noch nicht so weit. Doch dass Deutschland das 0,7-Prozent-Ziel laut der OECD-Statistik 2015 erstmals umgesetzt hat, war zu einem großen Teil auf die gestiegenen Flüchtlingsausgaben im Inland zurückzuführen. Erstmals durften die OECD-Industriestaaten bestimmte Ausgaben für die Versorgung von Flüchtlingen innerhalb der ersten zwölf Monate nach Ankunft als Entwicklungshilfe verbuchen. Diese Chance ließ sich Deutschland nicht nehmen. Ohne deren Anrechnung stagnierte die deutsche Quote weiter bei 0,52 Prozent.
Noch gehören Sicherheitschecks, Grenzkontrollen und Abschiebelager nicht zu den anrechenbaren Leistungen, aber die Zahl der Befürworter unter den EU-Staaten dafür steigt. Mit Armutsbekämpfung in den Herkunftsländern hat das nichts zu tun. Diese Entwicklung ist beschämend, zumal sie mit unfairer Handelspolitik garniert wird.
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