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Machtkampf im Aldi-Nord-Clan

Beim milliardenschweren Discounter streiten Familienzweige um den Einfluss in den Albrecht-Stiftungen

Sie sind eigentlich zur familiären Gemeinsamkeit verdammt: die Erben von Theo Albrecht. Der 2010 verstorbene Firmenpatriarch von Aldi Nord hatte nämlich zu Lebzeiten das Kapital des Lebensmitteldiscounters in drei Stiftungen überführt, die an die unterschiedliche Clanzweige vergeben wurden: die Markus-Stiftung an Witwe Cäcilie, die Lukas-Stiftung an Sohn Theo und die Jakobus-Stiftung an den anderen Sohn Berthold. Und alle wichtigen Entscheidungen müssen die drei Stiftungen einstimmig fällen. Meist gelang dies - wie zuletzt bei der größten Modernisierungsaktion in der Geschichte des Discounters: 5,2 Milliarden Euro werden derzeit investiert, um allen 2250 deutschen Filialen von Hessen bis Mecklenburg-Vorpommern ein freundlicher anmutendes Interieur zu verpassen.

Doch eine Entscheidung sorgt nicht nur für Familienzwist, sondern beschäftigt sogar die Gerichte: Kurz vor Weihnachten 2010 beschloss der Vorstand der in Nortorf (Schleswig-Holstein) ansässigen Jakobus-Stiftung eine Satzungsänderung, die den Einfluss der Familie zugunsten des langjährigen Anwalts der Familie, Emil Huber, stark einschränkte. Huber, der die Änderung selbst aufgesetzt haben soll und dem Vorstand der Markus-Stiftung angehört, wurde nach dem plötzlichen Tod Berthold Albrechts 2012 als Vorstand der Jakobus-Stiftung bestellt, aber später von den beiden Töchtern im Vorstand abberufen.

Die Witwe und die Kinder wollen die Satzungsänderung gerichtlich für ungültig erklären lassen. Begründung: Zum einen sei Berthold damals nicht zurechnungsfähig gewesen, da er schwer krank war und unter Medikamenteneinfluss stand. Zum anderen habe er für einen abwesenden Vorstand mit unterschrieben, was die Satzung ausgeschlossen habe.

In erster Instanz bekamen die Erben vor dem Verwaltungsgericht Schleswig Recht. Demnach dürfe sich auch der Stifter selbst nicht über die Satzung stellen. Gegen die Entscheidung legte der Kreis Rendsburg-Eckernförde, der als Stiftungsaufsicht die Satzungsänderung akzeptiert hatte, Berufung am Oberverwaltungsgericht ein. Bei der Verhandlung wurde am Donnerstag das damals abwesende Vorstandsmitglied befragt. Nach seiner Aussage sei alles korrekt verlaufen, denn er habe Berthold Albrecht mündlich bevollmächtigt, in seinem Namen für die Satzungsänderung zu stimmen.

In dem Streit geht es um weit mehr als die Frage eines Formfehlers. Wie das Verfahren sichtbar machte, ist die öffentlichkeitsscheue Familie, deren Vermögen auf 14 Milliarden Euro geschätzt wird, offenbar völlig zerstritten. Witwe Babette pflegt einen prunkvollen Lebensstil. Sie und ihr Mann sollen allein 100 Millionen Euro für Gemälde und einen Oldtimer-Fuhrpark ausgegeben haben. Theo Albrecht jr. hingegen, der sich an die Tradition seines erzkatholischen Vaters hält, nicht mit dem Reichtum zu protzen, befürchtet, dass Babette und ihre Kinder zu viel Geld aus der Stiftung gezogen haben und damit eine Belastung für das Unternehmen insgesamt seien. »Mein Bruder würde sich im Grabe umdrehen, wenn er wüsste, was hier abläuft«, sagte er dem »Handelsblatt«: Wenn die alte Satzung wieder gelte, könnten die Kinder von Berthold »das Unternehmen am Nasenring durch die Manege führen; sie hätten damit ein unbegrenztes Erpressungspotenzial«.

Und so geht es in dem Verfahren letztlich auch um die Frage, wer eigentlich das Sagen bei Aldi Nord hat: Der verordnete Gemeinschaftssinn jedenfalls hat den Patriarchen nicht überlebt.

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