Der Mann, der nicht nur aussieht wie Karl Marx

Zum 200. Geburtstag im kommenden Jahr

  • Lesedauer: 4 Min.

Trier. Er zieht die Blicke auf sich. Wenn Michael Thielen in Trier durch die Fußgängerzone läuft, bleiben immer wieder Leute stehen. Sie fixieren den Mann mit dem langen weißen Haar und mit dem noch längeren weißen Bart. »Ist das nicht ... Karl Marx?«, hört man sie sagen. Nein, ist es nicht. Aber: Er sieht ihm überaus ähnlich.

»Ich mag es, wenn man mich mit Karl Marx verwechselt«, sagt Thielen. Der 66-Jährige ist seit längerem als Darsteller des 1818 in Trier geborenen Marx unterwegs, auch offiziell. Im Jahr 2018 aber wird er besonders häufig im Einsatz sein - zum 200. Geburtstag des Philosophen, der einer der geistigen Väter des Kommunismus war.

Die Doppelgänger-Rolle ist Thielen auf den Leib geschrieben. Er sieht nicht nur aus wie Marx, er ist auch ein Anhänger seiner Ideen. »Ich war eigentlich schon immer Marxist«, sagt der pensionierte Deutsch- und Englischlehrer. Zumindest seit der Uni-Zeit.

Vieles von Marx sei heute noch »hochaktuell«, meint Thielen: Die Arbeiter in den Ländern der Erde seien immer noch zersplittert und würden von multinationalen Konzernen ausgebeutet. »Ich befürchte, Marx wäre heute sprachlos.« Weil ein Zusammenschluss der Arbeiter immer noch nicht gelungen sei.

Die äußerliche Nähe zu Marx wurde erst vor ein paar Jahren deutlich. »Als fauler Pauker habe ich mir Haare und Bart wachsen lassen.« Da sagte ein Freund zu ihm: »Sag mal, weißt Du, wem du immer ähnlicher wirst?« Thielen war das klar - und sie entschieden, etwas daraus zu machen: Führungen durch Trier. »Dabei haben wir versucht, Marx als Mensch in den Mittelpunkt zu stellen und ihn vom hohen Podest herunterzuholen.« Sie hätten Marx mit Stärken und Schwächen gezeigt. »Er war sehr aufbrausend und hat sich sogar einmal duelliert.«

Die Führungen sind Geschichte, aber Thielen spielt die Rolle weiter. Er war schon Attraktion auf der Internationalen Tourismusbörse in Berlin. Auch die Macher der großen Karl-Marx-Ausstellung, die vom 5. Mai 2018 an, dem 200. Geburtstag des Denkers, in Trier zu sehen sein wird, haben ihn gebucht. »Wir finden es sehr charmant, dass Herr Thielen dem alten Karl Marx so ähnlich sieht«, sagt Ann-Kathrin Reichenbach, Sprecherin der Schau »Karl Marx 1818-1883 Leben. Werk. Zeit.« Ob Thielen Marxist sei oder nicht, spiele für sie keine Rolle.

Thielen, der auch Musiker, Fotograf, Schreiber und Lebemensch ist (»Ich mache nur noch das, was mir Spaß macht«), will vor allem eines: »Wenn ich einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass der Geburtsort von Marx bekannter wird und viele Leute hierher kommen, dann bin ich froh.« Die 5,50 Meter große Karl-Marx-Statue, die zum Jubiläum im Mai 2018 als Geschenk aus China in Trier aufgestellt werden soll, findet Thielen, der 23 Jahre im hessischen Bad Hersfeld Lehrer war, gut.

»Sie hätte kleiner sein können, aber jetzt ist sie halt so groß«, meint er zu Kritik an der Größe des Bronze-Marx. Es sei letztlich das Kunstwerk des Künstlers Wu Weishan, da könne man nicht reinreden. Auch mit dem gewählten Platz unweit der Porta Nigra könne er gut leben. »Karl Marx ist ein Trierer Bürger, der weltbekannt ist und im 19. Jahrhundert versucht hat, die Welt zum Besseren zu verändern. Das muss einfach in seiner Geburtsstadt gewürdigt werden«, sagt Thielen. Was andere später aus seinen Theorien gemacht hätten - das könne man ihm nicht vorwerfen. »Er gehört ins 19. Jahrhundert. Fertig. Ab.«

Neben der großen Marx-Ausstellung mit rund 400 Exponaten in zwei Museen wird es 2018 in Trier rund 150 Veranstaltungen von Kongressen über Kino bis Kunst geben. Und im Museum Karl-Marx-Haus, dem Geburtshaus, wird eine neue Dauerausstellung eröffnet. Marx verbrachte die ersten 17 Jahre in der Stadt und starb 1883 in London.

Noch gibt Thielen gerne den Marx. »Double« will er aber nicht gerne genannt werden. Lieber »Darsteller« oder »Vertreter«: »Ich kann ja noch ein bisschen mehr als mein Gesicht hinhalten. Marx ist nur eine Facette von mir«, sagt er in weißem Hemd mit schwarzem Jackett. 2018 plane er auch eine Marx-Show mit einem Freund. Mit Liedern aus dem 19. Jahrhundert und nachgespielten Szenen. Und wenn er eines Tages mal keine Lust mehr auf die Marx-Rolle hat? »Dann schneide ich einfach Haare und Bart ab«, meint er lachend. Irgendwann werde es wohl dazu kommen. »Nächstes Jahr aber lasse ich es noch lang.« dpa/nd

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