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Unterdrückte Reize

Personalie

  • Sebastian Bähr
  • Lesedauer: 2 Min.

Großaufnahme der knallroten, prallen Lippen. Die Zunge leckt verspielt an einem Apfel, dann wird in Zeitlupe eine Banane in den Mund geschoben. Zum Schluss nehmen ihre Hände eine Milchflasche. Sie lassen die weiße Flüssigkeit langsam über die Reste der Frucht laufen. In einem inszenierten Klassenraum sitzen einige junge Männer und erfreuen sich sichtlich an dem lasziven Schauspiel, das sich ihnen zeigt.

Alles in allem ist das Musikvideo zu dem Lied »I Have Issues« (Ich habe Probleme) der ägyptischen Sängerin Shaimaa Ahmed zwar natürlich sexuell konnotiert, im Vergleich zu hiesigen Musikvideoproduktionen oder gar dem Angebot der Online-Pornografie jedoch tatsächlich mehr als harmlos. Weder sieht man Geschlechtsteile noch Geschlechtsverkehr, das Video funktioniert durch die Kombination aus erotischen Anspielungen und etwas nackter Haut.

Für die eher konservative ägyptische Gesellschaft zeigte es offenbar dennoch zu viele Reize. Nach hitzigen Debatten in sozialen Netzwerken verurteilte die Staatsanwaltschaft von Kairo am Dienstag die 21-jährige Sängerin mit dem Künstlernamen »Shima« zu einer zweijährigen Gefängnisstrafe. Zusätzlich muss sie 10 000 ägyptische Pfund, rund 500 Euro, als Strafe zahlen. Als Begründung für die Haft wurde »Verkommenheit« genannt. Im November war Ahmed festgenommen worden, nachdem sich Menschen laut Polizeiangaben über das Video beschwert hatten.

Die ägyptische Staatsanwaltschaft hatte im vergangenen Monat bereits die TV-Moderatorin Doaa Salah zu einer dreijährigen Haftstrafe verurteilt. Sie sprach im Fernsehen über selbstbestimmte Schwangerschaft und Sex außerhalb der Ehe.

Laut einem Bericht von »Amnesty International« von 2017 werden in Ägypten Mädchen und Frauen »durch Gesetze und im alltäglichen Leben diskriminiert«. Die staatlichen Institutionen könnten sie weiterhin »nicht ausreichend« gegen sexualisierte und geschlechtsspezifische Gewalt schützen.

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