Hundertfach vertuscht

WADA liefert Verbänden 300 Namen russischer Sportler, deren Doping gedeckt worden sei

Gerade schien etwas Ruhe in den russischen Dopingskandal gekommen zu sein. Das Internationale Olympische Komitee (IOC) hatte Russlands nationalen Ableger (ROC) für die kommenden Winterspiele zwar gesperrt, sauberen Athleten allerdings die Möglichkeit gegeben, unter neutraler Flagge an den Start zu gehen. Schnell waren die russischen Boykottdrohungen verklungen, die Sportler wollten ohnehin immer nach Südkorea, also erlaubte das ROC die Entsendung. Die Präsidenten Russlands und des IOC, Wladimir Putin und Thomas Bach, zeigten sich zufrieden. Doch die Ruhe währte nicht lange, denn es geht immer noch um viel mehr als ein ausgeklügeltes Betrugssystem bei den Olympischen Spielen in Sotschi 2014.

Am Donnerstag war die Welt-Antidoping-Agentur WADA wieder am Zug. Sie hatte bereits zwei Kommissionen forschen lassen, was an den Beschuldigungen des Staatsdopings dran sei. Dabei hatte Sonderermittler Richard McLaren entdeckt, dass vermutlich bereits seit 2011 mindestens 643 positive Dopingproben falsch deklariert und später offenbar vernichtet worden waren, um die Spuren zu vernichten.

In nur noch zwölf Fällen konnte McLaren im Sommer 2016 die »Methode der Verschwundenen Positiven« (DPM) beweisen. Er zeigte aber auf, wie sie funktionierte: Das Moskauer Kontrolllabor analysierte eine Probe und fand eine verbotene Substanz. Anstatt dies sofort ins internationale Meldesystem ADAMS einzupflegen, wurde über einen Mittler die Russische Antidoping-Agentur eingeschaltet, denn nur die RUSADA konnte die nummerierte Probe einem Namen zuordnen. Dieser wurde wiederum ans Sportministerium weitergeleitet, und Vizesportminister Juri Nagornych entschied, ob der Athlet geschützt werden sollte. In dem Fall wurde das Kontrolllabor angewiesen ein Negativresultat ins ADAMS-System einzutragen. So verschwanden die positiven Fällen. Bei Fußballern entschied übrigens »W.L.« Die Abkürzung tauchte in E-Mails auf, und McLaren vermutete dahinter Witali Leontjewitsch Mutko, den damaligen Sportminister und heutigen Vizeregierungschef. Er ist übrigens immer noch Präsident von Russlands Fußballverband und organisiert die WM 2018 in Russland.

Die DPM verlief jedoch offenbar nicht spurlos, denn die WADA gelangte vor einigen Wochen an eine Originaldatei des Moskauer Labors. Sie wurde auf ihre Echtheit überprüft und wiederhergestellt, teilte die WADA am Donnerstag mit. Offenbar muss sie beschädigt worden sein - ob absichtlich ist nicht klar. Die WADA gab laut Branchendienst »Insidethegames« jetzt rund 300 Namen noch aktiver Athleten und die zugehörigen verbotenen Substanzen an mehr als 25 betroffene Sportverbände weiter. Dazu die unterschiedlichen Einträge im ADAMS-System und der Labordatei sowie eidesstattliche Erklärungen, Rechtsgutachten und eine Menge E-Mails von Mitarbeitern der RUSADA, des Ministeriums und des Labors, in denen über die positiven Proben debattiert wird.

»Es liegt nun in den Händen der Verbände, diese Informationen weiterzuverfolgen. Wir werden sie dabei unterstützen«, sagte WADA-Ermittler Günter Younger. In der Fülle aller Daten sollten die Fälle stark genug sein, um »Athleten wegen eines Dopingverstoßes zu sanktionieren«. Und die WADA schickte gleich noch eine Warnung hinterher: Sie werde den Prozess beobachten und sich das »Recht vorbehalten, vor den Sportgerichtshof CAS zu ziehen«, sollte sie mit einem Verbandsurteil nicht einverstanden sein.

Wladimir Putin zeigte sich am Donnerstag auf seiner Jahrespressekonferenz schon gar nicht mehr erfreut. Erneut wiederholte er die Verschwörungstheorie, dass alle Anschuldigungen ein Komplott der USA wären, das die russischen Präsidentschaftswahlen im März beeinflussen soll. Belege dafür lieferte er auch diesmal nicht.

Bisher wurden gerade mal 31 Athleten für Olympia gesperrt. Putin rechnet offenbar damit, dass der CAS deren Einsprüche abschmettern wird. Denn er kündigte nun schon den nächsten Schritt an: »Wir arbeiten daran, die Interessen unserer Athleten zu verteidigen - auch vor Zivilgerichten.« Das wäre dann zuallererst das Schweizer Bundesgericht. Sollten nun aber aus 31 Fällen 300 werden, sollten die Beamten des Justizministeriums mal ein paar Wohnungen in Lausanne anmieten.

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