Möglicher Zeuge in Haft

Vietnamesischer Ex-Geheimdienstmitarbeiter will nach Deutschland

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Im Fall des im Sommer mutmaßlich durch den vietnamesischen Geheimdienst von Berlin nach Hanoi entführten vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh gibt es eine überraschende Wendung: Ein vietnamesischer Geheimdienstoffizier, der nach eigenen Angaben über Insiderwissen verfügt, hat sich ins Ausland abgesetzt. Sein Fluchtziel: Deutschland. Das berichtet sein deutscher Anwalt Victor Pfaff.

Allerdings endete die Flucht des 42-jährigen Oberstleutnants des Geheimdienstes vorerst in Singapur. Dort sitzt er seit dem 28. Dezember in Haft. Singapur bestätigt das. Vietnam hatte den Reisepass des Flüchtenden gegenüber den Behörden in Singapur für ungültig erklärt und seine Auslieferung beantragt. Die sollte nach Angaben seines Anwaltes Pfaff eigentlich am 2. Januar stattfinden, wurde aber kurzfristig gestoppt. »Dabei geht es um Leben und Tod«, sagt Pfaff dem »nd«. In Vietnam drohe dem entlaufenen Geheimdienstler »mit Sicherheit die Todesstrafe«.

Vu will Interna über die Entführung des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh kennen und diese sowie brisante Unterlagen den Ermittlern in Berlin preisgeben, sagt der Berliner Blogger Bui Thanh Hieu gegenüber »nd«. Seinen Angaben zufolge war Vu im zentralvietnamesischen Danang für den Kauf und Verkauf von Immobilien für den Geheimdienst zuständig. Damit soll er die Arbeit der Geheimdiensteinheit TC 5 finanziert haben. Das soll dem Blogger zufolge genau die Einheit gewesen sein, die die Entführung von Trinh Xuan Thanh zu verantworten hat.

Vietnams Medien berichten seit zehn Tagen, dass Phan Van Anh Vu mit Hochdruck gesucht wird. Als das Ministerium für öffentliche Sicherheit am 21. Dezember seine Wohnung in Zentralvietnam durchsuchte, war der Gesuchte verschwunden. Ihm wird Geheimnisverrat vorgeworfen. Eine Woche später war neben dem Geheimnisverrat auch von Korruption bei Immobiliengeschäften die Rede. Genaue Angaben macht Vietnam nicht.

Weder das deutsche Auswärtige Amt noch die im Falle der Entführung des vietnamesischen Ex-Politikers Trinh Xuan Thanh ermittelnde Generalbundesanwaltschaft wollen sich zu dem Vorfall äußern. Dem »nd« liegen allerdings Informationen vor, dass beide Behörden von dem Vorfall wissen und Informationen mit großer Sorgfalt prüfen. So wurde der Blogger Bui Thanh Hieu nach seinen eigenen Angaben am Dienstag den ganzen Tag lang als Zeuge vernommen.

Der Anwalt Victor Pfaff hat am Silvestertag bei der deutschen Botschaft in Singapur einen Aufenthaltstitel aus dringenden humanitären Gründen für Vu beantragt. »Mit der Auslieferung nach Vietnam besteht Lebensgefahr. Deutschland hat auch ein Interesse daran, Herrn Vu als Zeugen im Entführungsfall zu vernehmen«, so Pfaff, der ein namhafter Asylrechtsanwalt ist und die Flüchtlingshilfeorganisation Pro Asyl mitgegründet hat.

In Fall der Erteilung eines deutschen Aufenthaltstitels müsste Singapur den möglichen deutschen Antrag gegen den vietnamesischen Antrag auf Auslieferung abwägen. Vietnam ist dafür bekannt, solche Anträge in einer juristisch schwammigen Form zu verfassen, die wegen unkonkreter Angaben von vielen Staaten der Welt nicht ernst genommen werden. So hatte Vietnam die Auslieferung des später entführten Trinh Xuan Thanh an Deutschland lediglich mit einer »Verletzung vietnamesischer Wirtschaftsrechtsvorschriften« begründet, ohne genau zu benennen und zu belegen, was ihm zur Last gelegt wurde.

#ndbleibt – Aktiv werden und Aktionspaket bestellen
Egal ob Kneipen, Cafés, Festivals oder andere Versammlungsorte – wir wollen sichtbarer werden und alle erreichen, denen unabhängiger Journalismus mit Haltung wichtig ist. Wir haben ein Aktionspaket mit Stickern, Flyern, Plakaten und Buttons zusammengestellt, mit dem du losziehen kannst um selbst für deine Zeitung aktiv zu werden und sie zu unterstützen.
Zum Aktionspaket

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal