Innenansichten aus dem Reich der Geheimen

Die BND-Zentrale wird bald bezogen sein / Der Neubau soll der Arbeitsweise der Agenten entgegen kommen

  • Jörg Blank
  • Lesedauer: 4 Min.

Wenn Bruno Kahl von seinem schmalen Balkon nach schräg links sieht, schaut er auf Kanzleramt und Bundestag. Der Ausblick aus seinem neuen Büro im siebten Obergeschoss erinnert den Präsidenten des Bundesnachrichtendienstes künftig jeden Tag daran, wem der Bundesnachrichtendienst (BND) unterstellt ist. Regierungszentrale und Parlament üben die Aufsicht über den deutschen Auslandsgeheimdienst aus. Er habe »das große Glück einer guten Übersicht Richtung Westen«, sagt Kahl während der Präsentation eines Fotobuchs über die neue Geheimdienstzentrale im Herzen Berlins. Ganz nach dem Prinzip: sehen und gesehenwerden.

Bis zum Sommer residiert Kahl noch in einer gut 130 Jahre alten ehemaligen Kaserne der preußischen Garde-Schützen im Stadtteil Lichterfelde. Dann wird der 55-Jährige endlich an die Chausseestraße in Berlin Mitte umziehen. Der BND-Gebäudekomplex dort ist das größte Bauprojekt des Bundes in der Nachkriegszeit - und das geheimste. Nach dem Abzug der meisten Bauarbeiter von dem 14 Fußballfelder großen Areal und dem Beginn der Sicherheitschecks von Gebäude und Technik dürfen selbst Geheimdienstmitarbeiter nur noch in jene Trakte, die für ihre Arbeit nötig sind.

Kahls Präsidentenbüro: 42 Quadratmeter, kugelsichere Scheiben, heller Holzschreibtisch mit grauem Bürosessel, gegenüber eine moderne schwarze Sitzgruppe für Gäste. Sein Büro sei »bescheiden und wohlproportioniert, so, dass ich mich sehr wohl fühle dort«, sagt Kahl. Parkettfußboden und Eichenholzvertäfelung der Wände - das seien fast die einzigen präsidialen Unterschiede zu den anderen Büros, heißt es.

So ganz stimmt das dann doch nicht. Auswerter und Analysten etwa müssen meist zu zweit auf 17 funktionellen Quadratmetern zurechtkommen. Steht einem ein Einzelbüro zu, sind es 11 Quadratmeter. Für jeden gibt es zwei Computer und zwei Telefone. Ein System für die geheime interne Kommunikation, abgeschottet nach außen. Und ein zweites, mit dem Kontakt zur Außenwelt aufgenommen werden kann.

5200 Büros sind insgesamt in dem Komplex untergebracht, etwa 4000 Spione werden hier einmal arbeiten. 700 sind es jetzt schon, darunter die für Terrorismusabwehr zuständige Abteilung. Kahl hofft, dass seine Leute bis Ende des Jahres komplett eingezogen sind. »Es sieht im Moment sehr gut aus«, lautet sein Zwischenfazit, wird er auf den Zeitplan angesprochen.

Das war in der Bauzeit anders. Der Einzug verzögert sich in den vergangenen Jahren wegen Pannen etwa an der Klimaanlage immer wieder. Als Unbekannte Wasserhähne abschrauben und einen Gebäudeteil unter Wasser setzen, amüsiert sich die halbe Republik. Statt wie ursprünglich geplant 720 Millionen Euro kostet die neue Geheimdienstzentrale am Ende wohl knapp 1,1 Milliarden Euro - plus 400 Millionen für Ausstattung und Umzug.

Das Lagezentrum, Herz des Geheimdienstes, liegt gut geschützt im Kern des Gebäudes. Braune Holzvertäfelung, brauner Teppich, die Uhren an der Wand zeigen die Zeit in New York, London, Berlin, Moskau und Peking. Nach dem Umzug werden hier die Nachrichtendienst-Lagen mit dem Präsidenten sein, Krisensitzungen, Videokonferenzen. Damit jeder gut zu sehen ist, sind Kameras in die Wände rundherum eingelassen. 50 BND-Leute können hier an den in Hufeisenform aufgestellten Tischen gleichzeitig arbeiten. Zwei solche Krisenzentren können falls nötig nebeneinander arbeiten.

Dass sich die Zeit für die Auslandsspione geändert haben, hat Kahl schon oft klar gemacht. Früher, als die Zentrale noch in Pullach bei München versteckt hinter hohen Mauern lag, sei der BND eine verschworene Gemeinschaft mit klarem Feindbild gewesen, sagt er. Schon lange sei das alte »Schottenprinzip«, als der eine Kollege nicht wissen durfte, woran der andere arbeitete, vom Prinzip »Need to share« abgelöst. Will heißen: Man überlegt heute genau, was für den Erfolg der Arbeit mit anderen im Dienst geteilt werden muss.

Die Architektur des Neubaus soll der modernen Arbeitsweise entgegenkommen. Zwei riesige Atrien im Zentrum des Hauptgebäudes sollen den Austausch erleichtern und Wege verkürzen. Zwar können sich die Mitarbeiter nach der Sicherheitsphilosophie im Dienst nicht beliebig im Haus bewegen. Der Zutritt zu den Räumen der jeweiligen Abteilungen wird per Chipkarte freigegeben. Für alle zugänglich sind 50 »Kommunikationszonen«, ausgerüstet mit Stehtischen, Mikrowelle und Herdplatten. Ihre Handys müssen die Agenten aber schon am Eingang abgeben - zu hoch ist die Abhörgefahr. Mehr als 4600 Schließfächer stehen dafür bereit. dpa/nd

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