Schlimmer als bei der »Exxon Valdez«

China räumt Ausbreitung des Ölteppichs nach Untergang des Tankers »Sanchi« ein

  • Becky Davis, Peking
  • Lesedauer: 3 Min.
Nach dem Tankerunglück vor China haben die Behörden zunächst beteuert, dass die Umweltauswirkungen durch das austretende Leichtöl begrenzt seien. Doch Experten warnten vor einer Umweltkatastrophe von historischem Ausmaß. Schließlich trete nach der Explosion und dem Untergang des iranischen Öltankers »Sanchi« auch Ölkondensat aus, das auf den ersten Blick nicht zu sehen, für die Meeresbewohner aber besonders giftig sei. Inzwischen warnen auch die chinesischen Behörden, dass sich der Ölteppich weiter ausbreitet.

Die »Sanchi« war am 6. Januar mit 136 000 Tonnen Leichtöl an Bord auf hoher See mit einem chinesischen Frachter zusammengestoßen und sofort in Brand geraten. Alle 32 Besatzungsmitglieder - 30 Iraner und zwei Bangladescher - kamen vermutlich ums Leben. Nach mehreren Explosionen sank die »Sanchi« am Sonntag. Chinesischen Medien zufolge könnte ihr eigener Tank bis zu tausend Tonnen Treibstoff enthalten haben.

Seines Wissens sei noch nie soviel Ölkondensat - ein besonders hochwertiges Leichtöl - auf einen Schlag in die Umwelt gelangt, sagte der US-Berater für Ölkatastrophen, Richard Steiner. Ihm sei kein Fall bekannt, bei dem mehr als tausend Tonnen Kondensat ins Meer gelangt seien. Selbst wenn nur 20 Prozent der Ladung ins Meer gelangt seien, entspräche dies in etwa der Menge an Rohöl, die bei der Havarie des Öltankers »Exxon Valdez« 1989 vor Alaska ausgelaufen sei, verdeutlichte Steiner das Ausmaß der Umweltkatastrophe.

Die chinesische Meeresbehörde hatte dagegen am Wochenende noch erklärt, es seien keine größeren Umweltschäden zu erwarten. Für den Menschen seien ohnehin nur minimale Auswirkungen zu befürchten, da der Tanker so weit von der Küste entfernt sei. Nun gab die Behörde eine neue Einschätzung: Das Öl breite sich aus, der Ölteppich sei »sehr viel größer« als noch am Sonntag. Flugzeuge entdeckten laut Meeresbehörde drei Ölteppiche von bis zu 18,2 Kilometern Länge, so die Agentur Xinhua. Diese würden sich wegen des Winds und der Meeresströmung Richtung Norden bewegen. Laut dem Staatssender CCTV konnte das Feuer an der Unglücksstelle am Montag gelöscht werden. Schiffe versprühten Chemikalien, um den Ölteppich aufzulösen.

Dass das iranische Schiff sank, bevor die Ölladung komplett verbrannt war, ist für den Leiter des Pekinger Instituts für Öffentliche und Umweltangelegenheiten, Ma Jun, das Schlimmste, was passieren konnte. »Das Ölkondensat ist für alle Meereslebewesen besonders giftig«, sagte Ma der Zeitung »Global Times«. Anders als Rohöl bildet Ölkondensat keinen Teppich auf der Meeresoberfläche, sondern erzeugt unter Wasser eine giftige Säule aus Kohlenwasserstoffen. Für die Wale, Seevögel, Fische und das Plankton im Ostchinesischen Meer bedeute dies Lebensgefahr, sagte Steiner. Selbst wenn die »giftige Phase« des Tankerunglücks nach wenigen Monaten beendet sei, könnten die Auswirkungen auf die Umwelt »viel länger« dauern, so Steiner.

China will nun mit einem U-Boot den gesunkenen Öltanker untersuchen. Wie das Pekinger Transportministerium am Mittwoch mitteilte, wurden Vorbereitungen getroffen, um das U-Boot zu entsenden. Zudem wurde ein Spezialschiff zur Unglücksstelle geschickt, das Verschmutzungen beseitigen soll. Die Hongkonger Zeitung »South China Morningpost« berichtete zudem, es werde über den Einsatz von Tauchern nachgedacht, um mögliche Lecks im Schiff zu versiegeln.

Ozeanforscher warnten derweil, ausgetretenes Öl könnte Japans Küste und auch die Insel Jeju erreichen. Eine Simulation habe zudem ergeben, dass sich Verschmutzungen »viel weiter und schneller als bisher gedacht verteilen könnten«, teilte das Nationale Zentrum für Ozeanographie in Großbritannien mit. Agenturen/nd

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