Der Pyrrhussieger

SPD-Fraktionschef Raed Saleh sieht sich nach der Führungskrise gestärkt

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 4 Min.

Für Raed Saleh läuft es wieder besser. Berlins zweitwichtigster Sozialdemokrat nach dem Regierenden Bürgermeister und Landesvorsitzenden Michael Müller (SPD) hat die öffentliche Kritik an seiner Amtsführung durch 14 Mitglieder der 38-köpfigen Fraktion erst einmal überstanden. Der Anfang November vergangenen Jahres verfasste Brief, in dem unter anderem eine bessere Pressearbeit und bessere strategische Themensetzung gefordert worden war, hatte den ambitionierten 40-jährigen Fraktionsvorsitzenden aus Spandau hart getroffen - nicht zuletzt, weil das fünfseitige Schreiben auch von drei stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden unterzeichnet worden war.

Doch zurücktreten musste Saleh nicht, eine deutliche Mehrheit in der Fraktion hält offensichtlich weiter zu ihm. Auch die Idee, neben Saleh eine Frau als Fraktionsvorsitzende in einer gemeinsamen Doppelspitze einzusetzen, ist wohl zunächst wieder vom Tisch. Saleh bleibt also alleiniger Kopf der mächtigsten Regierungsfraktion in der rot-rot-grünen Senatskoalition - und das mindestens bis zur nächsten turnusmäßigen Wahl der Fraktionsführung im Frühjahr 2019.

Intern hat Saleh die vergangenen Wochen seit der Veröffentlichung des Briefes genutzt, die Kritik auf seine Art und Weise zu bearbeiten. Wirksam nach Innen, nach Außen möglichst geräuschlos. Zuletzt gab es am vergangenen Samstag eine mehrstündige Krisensitzung, mit der mögliche Unstimmigkeiten im Vorfeld der für das kommende Wochenende in Hamburg geplanten Fraktionsklausur ausgeräumt werden sollten. Am Ende ging es aber in der Hauptsache um die Nutzung von sozialen Medien. Über die Kanäle Twitter und Facebook waren die Streitigkeiten gerade nach der krachenden Wahlniederlage bei der Bundestagswahl in Berlin unter Sozialdemokraten teils erbittert ausgetragen worden. Künftig wollen sich die Genossen dabei mehr zurückhalten und stärker in der Sache argumentieren. Der Fraktionsvorsitzende selbst, der bislang kein Twitter-Profil besitzt, ist zurzeit dabei, ein eigenes einzurichten, so ist zu hören. Überhaupt will die Fraktion ihre Pressearbeit besser aufstellen, was einer der Hauptkritikpunkte an Salehs Amtsführung im Brief der Abgeordneten war.

Dass die Unstimmigkeiten erneut bei der Fraktionsklausur in Hamburg offen zutage treten könnten, ist indes unwahrscheinlich. Angesichts der dürftigen Umfragen in der Hauptstadt und der derzeit alles überstrahlenden Debatte in der SPD zur Regierungsbeteiligung im Bund herrscht in der Fraktion aktuell so etwas wie ein fragiler Burgfrieden. Wen man auch kontaktiert, in fast allen Fällen heißt es: Man wolle sich derzeit nicht mehr zu der Kritik am Fraktionsvorsitzenden äußern.

Nur einer spricht, der Fraktionsvorsitzende selbst. Saleh sagt: »Die SPD-Fraktion ist geschlossen und tatkräftig.« Wie geschlossen und tatkräftig die größte Regierungsfraktion agiere, hätten schließlich die Haushaltsverhandlungen Ende 2017 gezeigt. Auch im Jahr 2018 sehe sich die SPD »als Motor der rot-rot-grünen Regierungskoalition«. So wird es bei der Fraktionsklausur in Hamburg weniger um die internen Querelen gehen, sondern stattdessen um das Thema Wohnungsbau. Eben jenen Bereich des Senatshandelns, den die Sozialdemokraten als vermeintliche Schwachstelle in der Mitte-links-Koalition ausgemacht haben.

»Wir müssen bauen, bauen, bauen, und wenn das die Bausenatorin noch nicht vollständig verstanden hat, dann müssen wir ihr vielleicht das ein ums andere Mal auf die Füße treten«, attackiert Saleh erneut Katrin Lompscher (LINKE), die das Stadtentwicklungsressort zu Beginn der Legislatur von der SPD übernommen hatte. Unterfüttert wird die inhaltliche Spitze gegen den Koalitionspartner durch die Tagesordnung der Klausur. Dort soll unter anderem Maren Kern, Vorstandsmitglied des Verbandes Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), sprechen sowie die Geschäftsführerin der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft HOWOGE, Stefanie Frensch.

Von der SPD-Fraktionsklausur in Hamburg soll also ein Signal der Geschlossenheit ausgehen, garniert mit einer Spitze gegen die in Umfragen starke LINKE. Für Raed Saleh selbst ist allerdings nicht ausgemacht, ob er tatsächlich als Sieger oder am Ende nur als Pyrrhussieger aus der ersten Krise seiner noch vergleichsweise jungen politischen Karriere hervorgehen wird. Im Frühjahr 2019 sind die nächsten turnusmäßigen Vorstandswahlen. Es ist nicht auszuschließen, dass es dann Gegenkandidaturen geben könnte. Oder doch noch die Installierung einer Doppelspitze mit einer weiblichen Ko-Vorsitzenden.

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