Streit um Chemiewaffen

Neue Initiative gegen Straflosigkeit

  • Olaf Standke
  • Lesedauer: 3 Min.

In Moskau ist man empört. US-Außenminister Rex Tillerson hatte den Kreml beschuldigt, für Chemiewaffen-Opfer in Syrien mitverantwortlich zu sein. Schließlich habe Russland 2013 garantiert, dass die verbündete Regierung in Damaskus Angriffe mit C-Waffen beendet. Die Bestände sollten im Ausland vernichtet werden. Mit seinen Vorwürfen versuche Washington nur, Russland in ein schlechtes Licht zu rücken und die für Ende Januar geplante Syrien-Konferenz in Sotschi zu behindern, konterte Vizeaußenminister Sergej Rjabkow am Mittwoch. Präsidentensprecher Dmitri Peskow nannte die Vorwürfe »haltlos«.

Hintergrund ist eine Konferenz in Paris, mit der 24 Staaten auf Initiative Frankreichs am Dienstag eine Partnerschaft gegen die Straflosigkeit nach dem Einsatz von Chemiewaffen ins Leben gerufen haben. Auch Deutschland ist dabei; Russland nicht. Dieser neue Mechanismus jenseits bisheriger internationaler Strukturen soll Informationen über die Verantwortlichen für chemische Angriffe sammeln und austauschen. Das Mandat für das Ermittlerteam Joint Investigative Mechanism (JIM) der Vereinten Nationen und der Organisation für das Verbot von Chemiewaffen (OPCW) ist im Vorjahr ausgelaufen.

Auf einer Webseite werden Einzelpersonen, Gruppen und Regierungen benannt, gegen die Sanktionen in Kraft sind. Paris verhängte neue Strafmaßnahmen gegen 25 Unternehmen und Verantwortliche u.a. aus Syrien, Libanon und Frankreich, denen Unterstützung für das syrische Programm vorgeworfen wird. Sie seien in den Transfer sensibler Materialien verwickelt, die zur Herstellung von C-Waffen missbraucht werden könnten, und hätten Elektronik und Aufklärungssysteme geliefert. Das Vermögen der Betroffenen in Frankreich wird eingefroren.

Tillerson zeigte sich besorgt, dass die Assad-Regierung ihre Giftgasangriffe fortsetzen könnte. Zuletzt hat die oppositionsnahe Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, deren Angaben unabhängig kaum überprüft werden können, den Regierungstruppen vorgeworfen, die Rebellenhochburg Duma in der Provinz Ost-Ghuta nahe der Hauptstadt mit Chlorgas angegriffen zu haben. Über 20 Menschen, darunter Kinder, hätten danach unter Atembeschwerden gelitten. Russlands UN-Botschafter Wassili Nebensia nannte es jetzt »sonderbar«, dass derart »unbestätigte« Informationen ausgerechnet vor der Pariser Konferenz öffentlich gemacht worden sind.

Nach französischer Zählung soll es in Syrien zwischen 2012 und 2017 wenigstens 130 Chemiewaffeneinsätze gegeben haben. Für mindestens vier ist nach UN-Einschätzung die Regierung verantwortlich. Damaskus bestreitet das; Moskau hat im UN-Sicherheitsrat mit seinem Veto weitere Untersuchungen verhindert, weil sie parteiisch und die vorgeblichen Beweise nicht ausreichend seien.

Deshalb hat auch Botschafter Nebensia in einem Resolutionsentwurf im Weltsicherheitsrat ein »neues internationales Untersuchungsorgan« für Chemiewaffeneinsätze anstelle des JIM-Teams vorgeschlagen, »wirklich unparteiisch, unabhängig, professionell und glaubwürdig«. Und einen Seitenhieb gegen Washington gab es dann ebenfalls noch: Das Moskauer Verteidigungsministerium warf den USA jetzt vor, ihren Verpflichtungen zur Vernichtung der eigenen Bestände an C-Waffen nicht nachkommen - unter dem »erfundenen Vorwand« eines »Finanzierungsmangels«. Nach wie vor halte das Pentagon »zehn Prozent der Arsenale an chemischen Kampfstoffen und Spezialmunition einsatzbereit«.

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