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Schwerstarbeit für Vermittler de Mistura

Der Syrien-Gesandte der UNO ist mit düsteren Vorzeichen vor den Verhandlungen in Wien und Sotschi konfrontiert

  • Karin Leukefeld
  • Lesedauer: 4 Min.

Der UN-Sondervermittler Staffan de Mistura hat die syrische Regierung und den »Hohen Verhandlungsrat« der syrischen Opposition diesmal nicht nach Genf, sondern in die österreichische Hauptstadt eingeladen, weil die Schweiz aktuell mit den Sicherheitsvorkehrungen für das Weltwirtschaftsforum in Davos ausgelastet ist. Dort wird de Mistura noch vor Beginn der Gespräche in Wien ein Treffen internationaler Diplomaten hinter verschlossenen Türen moderieren.

Am Montag und Dienstag soll dann auf Einladung Russlands, Irans und der Türkei der »Kongress für den Nationalen Dialog« in Sotschi stattfinden. De Misturas Stellvertreter, Ramzi Ezzedine Ramzi, sagte, »ein Erfolg der Gespräche in Wien bedeute erfolgreiche Gespräche in Sotschi.« Noch ist unklar, ob de Mistura tatsächlich an dem Treffen in Sotschi teilnehmen wird. Auch die international anerkannte syrische Opposition - der Hohe Verhandlungsrat - hat über ihre Teilnahme in Sotschi noch nicht entschieden.

Verhandlungsleiter Nasr al-Hariri tourte vor den Gesprächen durch Europa und traf in Rom, Berlin und Paris mit Regierungsvertretern zusammen. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron versicherte dabei französische Unterstützung für die Genfer Gespräche. Die EU werde aber erst den Wiederaufbau in Syrien mitfinanzieren, wenn der Übergangsprozess ohne Präsident Baschar al-Assad begonnen habe. Ähnlich hatte sich wiederholt der geschäftsführende deutsche Außenminister Sigmar Gabriel geäußert.

Sowohl in Wien als auch in Sotschi soll über einen Verfassungsentwurf gesprochen werden. Nach Angaben von AFP soll in Sotschi ein von Russland ausgearbeiteter Verfassungsentwurf vorgelegt werden, nach dem Streitkräfte und Geheimdienste Syriens der Verfassung und einem »Menschenrechtsgesetz« unterworfen werden sollen. Grundlage sollen zudem die von de Mistura vorgeschlagenen 12 politischen Prinzipien sein, die Syrien als »demokratischen und säkularen« Staat bezeichnen. Bis zu 1600 Teilnehmer werden in Sotschi erwartet, die alle Bereiche der syrischen Gesellschaft repräsentieren sollen.

Unmittelbar vor Beginn der Gespräche in Wien beschuldigten Oppositionelle die syrische Armee, in der östlichen Ghouta bei Damaskus und in Idlib, Chlorgasangriffe verübt zu haben. Die Syrisch-Amerikanische Medizinische Gesellschaft, die in von Oppositionsgruppen beherrschten Regionen agiert, erklärte, es sei bereits der vierte Gasangriff 2018 auf Rebellengebiete gewesen. Zeitgleich trafen sich auf Einladung Frankreichs die Außenminister der USA mit Verbündeten aus Europa und den Golfstaaten in Paris, um eine »Partnerschaft gegen die Straflosigkeit von Chemiewaffeneinsätzen« zu gründen. Mit dabei sind auch Deutschland, Großbritannien und die Türkei. US-Außenminister Rex Tillerson warf Russland vor, die internationale Chemiewaffenkonvention »verraten« zu haben. Egal wer für die Chlorgasangriffe in Syrien verantwortlich sei, Moskau trage letztlich Verantwortung für die Opfer.

Der stellvertretende russische Außenminister Sergej Rjabkow bezeichnete das Treffen in Paris als »Schlag gegen die UNO«. Die Zuständigkeit der UN-Organisation für den Schutz vor Chemiewaffen solle ausgehebelt und die internationale Gemeinschaft weiter entzweit werden. Am Dienstag hatten 24 Staaten in Paris eine Partnerschaft gegen die Straflosigkeit von Chemiewaffen-Einsätzen gegründet.

Syriens Außenministerium verurteilte die »Lügen und Anschuldigungen über den Einsatz von Chemiewaffen«. Man wolle den Einsatz der syrischen Regierung anlasten und die Verantwortung von Milizen verschleiern. Man habe nicht vergessen, was in Irak geschehen sei. Zudem sei man nicht überrascht, dass die westlichen Staaten wenige Tage vor den Genfer Gesprächen und der Konferenz in Sotschi wieder solche Lügen verbreiteten. Seit Beginn der Krise in Syrien gebe es Versuche, vor politischen Initiativen mit Anschuldigungen und Lügen einen Lösungsweg zu blockieren.

Auf die Frage, wie die türkische Invasion in Afrin sich auf die Gespräche auswirken könne, sprach der Vorsitzende der syrischen Gesellschaft für die Vereinten Nationen, Dr. George Jabbour gegenüber der Autorin von einer »schwierigen Lage«. Die »kurdische Frage« sei in Syrien »explodiert«, obwohl gerade in Syrien - verglichen mit Irak, der Türkei oder Iran - die Kurden mehrheitlich integriert seien. Die internationalen Akteure seien »uneinig« darüber, wie man mit den Kurden umgehen solle. Doch »weder Russland noch die USA oder sonst ein Akteur will Syrien zugunsten eines kurdischen Staates teilen«, zeigt Jabbour sich überzeugt. Ziel der US-Besatzung im Nordosten Syriens sei vielmehr, den Druck auf Damaskus aufrechtzuerhalten, die syrische Regierung zu schwächen und zu einer anderen Politik zu zwingen.

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