Die Liebe seines Lebens

Daniel H. Rapoport seziert die Kommunikation

  • Martin Hatzius
  • Lesedauer: 2 Min.

Hauptberuflich entwickelt der 1971 geborene Chemiker Daniel H. Rapoport am Lübecker Fraunhofer-Institut Technologien zur Analyse und Vermehrung menschlicher und tierischer Zellen. Es kommt in den Zeiten der Arbeitsteilung nicht häufig vor, dass einer mit solchem Spezialgebiet sich nach Feierabend erkenntnishalber einem ganz anderen Gebiet zuwendet. Rapoport ist so ein seltener Fall. Die neun Essays in seinem soeben erschienenen Buch »Anteil des Redens an der Affenwerdung des Menschen« (Das Neue Berlin, 256 S., br., 14,99 €) analysieren neun Aspekte der Kommunikation. »Wer im Titel den Engels liest«, schreibt der Autor zum Geleit, »liest ganz richtig. Aus der Tradition des Denkens in historischen und naturgeschichtlichen Linien und Widersprüchen, in Erklärungen des Gewordenseins von Begriffen kommen diese Aufsätze«.

Am Anfang jedes Kapitels steht eine Verwunderung, mit der es Rapoport nicht bewenden lassen will: Woher kommt eigentlich dieser »hohltönende Leistungssprech« in Bewerbungsschreiben? Wie kann es sein, dass selbst kluge Menschen so anfällig für einfältige rassistische Stereotype sind? Mit welchem Recht behaupten wir, dass das ästhetische Urteil des einen schwerer wiegt als jenes des anderen? Und so fort. Der Autor, der von solchen Fragen nicht lassen kann, ehe er sie schlüssig beantwortet hat, geht dabei mit der Rationalität des Naturwissenschaftlers vor, entwickelt aber eine solche Lust am gewitzten Formulieren, wie sie selbst bei routinierten Essayisten nicht alle Tage zu finden ist.

Rapoports Texte, die im menschlichen Reden viel mehr die »Sozialisationshandlung« hervorkehren als den Austausch von Informationen, bestechen durch ihren Scharfsinn, überraschen durch unerwartete Analogiebildung und reizen gelegentlich zum Widerspruch - mithin: zum Kommunizieren. »Sprache«, heißt es einmal im Buch, »handelt uns durch ihre lebensweltliche Dimension einen erheblichen Kopfsalat ein. Ich sage das nicht, um die Sprache zu denunzieren; sie bleibt, gerade weil sie so schwierig ist, die große Liebe meines Lebens. Es ist wie mit jeder großen Liebe. Nur durch sie kann man klug werden - und nur durch sie verblöden.«

An diesem Donnerstag, ab 20 Uhr, stellt Daniel H. Rapoport sein Buch in der »Clinker Lounge« der »Backfabrik« vor (Saarbrücker Str. 36 - 38, Prenzlauer Berg). Musikalisch und moralisch unterstützt wird er dabei von seinem »Überraschungsgast« Marco Tschirpke.

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