• Sport
  • Die BVG und Hertha BSC

Sondermüll im Stadion

Alexander Ludewig über gutes und schlechtes Marketing in Berlin

Was mit gezieltem Marketing in Berlin zu erreichen ist, beweist die BVG. Mit ihrer jüngsten Kampagne sind die Berliner Verkehrsbetriebe in aller Munde. Zusammen mit Adidas brachten sie einen Turnschuh auf den Markt. Sneaker sagen die Leute dazu, die in Scharen stundenlang angestanden haben, um ein Paar der begrenzten Auflage zu ergattern. Der Kauf lohnte sich doppelt: Zum einen stiegen die Gebote im Internet schnell auf mehr als das Dreifache des Kaufpreises. Zum anderen kann man mit diesem Schuh am Fuß ein Jahr lang kostenlos mit den Verkehrsbetrieben durch Berlin cruisen. Und weil sich die BVG auch durchaus witzig in den sozialen Netzwerken bewegt oder mit mutigen Sprüchen auf ihren Bussen durch die Stadt fährt, konnte sie sich trotz Preiserhöhungen oder anhaltendem Ärger über Ausfälle und Verspätungen eine positive Imagekorrektur verpassen.

Berlin kann auch anders. So wie Hertha BSC. Die Fans haben mal wieder die Schnauze voll. Nicht grundsätzlich von ihrem Verein. Erst recht nicht die Treuesten aus der Ostkurve. Aber genau dort ist der Ärger über das öffentliche Auftreten ihres Klubs mit einer peinlichen Kampagne nach der anderen am größten. »Das Imageproblem ist hausgemacht. Hertha findet im Stadion und nicht auf Facebook statt!« So war es Blau auf Weiß am Sonnabend beim Spiel gegen Hoffenheim in der Ostkurve zu lesen.

Die verzweifelte Suche des Vereins nach neuen Anhängern ist ja durchaus verständlich. Das Spiel gegen Hoffenheim wollten nicht mal 33 000 Zuschauer sehen. Selbst gegen Dortmund gibt es im Olympiastadion mittlerweile leere Ränge. Sogar gegen den FC Bayern! Der Auftritt des Rekordmeisters aus München in dieser Saison in Berlin war ligaweit der erste seit 2006, der nicht ausverkauft war.

Herthas Problem in Berlin ist, dass den Verein - im Gegensatz zur BVG - niemand wirklich braucht. Fußballerisch weckt der Klub kaum Interesse. Unter Trainer Pal Dardai ist solides Handwerk statt Spektakel angesagt. Oder wie er es nach dem 1:1 gegen Hoffenheim ausdrückte: »Viel Taktik in der ersten Halbzeit, viel Kampf in der zweiten.« Das wäre ja auch alles ok, wenn man nicht mehr will, als man selbst zu bieten hat. Und wenn dann trotzdem die Immergleichen die Mannschaft anfeuern - am Sonnabend stand rund ein Drittel der Zuschauer in der Ostkurve -, sollte man sie nicht ständig verprellen: mit plumpen Annäherungsversuchen an Neu-Berliner, die die Hauptstadt immer noch hip finden.

Nun könnte man meinen, Hertha hat dazugelernt. Die neueste Idee: Wer sich die blau-weiße Fahne, Berlins Stadtgrenzen, das Olympiastadion und dazu noch einen QR-Code tätowieren lässt, bekommt lebenslang freien Eintritt. Rund 300 Fans haben sich schon beworben. Jeder vierte Deutsche soll heutzutage schon ein Tattoo tragen, im Fanblock ist der Durchschnitt vielleicht sogar noch höher. Nun das Aber: Will Hertha BSC nicht unbedingt in ein neues Stadion ziehen? Und hat der Verein seine Fans nicht schon mit dem Gedanken verärgert, in Brandenburg zu bauen? Seitdem hängt stets dieses Banner: »In Berlin nur Hertha - Hertha nur in Berlin«. Auch der QR-Code ist vielleicht bald überholt. Somit bliebe allein die Fahne sinnvoll, die sich aber vielleicht eh schon einige Fans haben stechen lassen. Und noch etwas: In Tattoofarben befinden sich neben krebserregenden Substanzen auch toxische Farbstoffe, verbotene Konservierungsstoffe und Schwermetalle - das gehört auf den Sondermüll.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal