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Schulden beim Jobcenter
Darlehen für ihre Mietkaution müssen Arbeitslose mit Hartz IV-Kürzungen finanzieren
Wer in eine neue Wohnung zieht, muss bei seinem neuen Vermieter üblicherweise eine Kaution hinterlegen, die Schäden an der Wohnung oder Mietrückstände abdecken soll. Bereits für Normalverdiener ohne Rücklagen ist es ein finanzieller Kraftakt, eine solche Kaution aufzubringen, kann diese doch bis zu drei Monatsmieten betragen. Gänzlich unmöglich ist das aber vielen Hartz IV-Beziehern. Bislang übernehmen die Jobcenter die Kaution oder die zu hinterlegenden Genossenschaftsanteile - allerdings lediglich als Darlehen. Das heißt, die Betroffenen müssen die Kaution über ihren Regelsatz beim Amt abstottern, indem der ohne schmale Betrag um monatlich zehn Prozent gekürzt wird.
Linksparteichefin Katja Kipping hält das Vorgehen der Jobcenter für rechtswidrig. Denn das Sozialgesetzbuch II, das die rechtlichen Rahmen für Hartz IV setzt, unterscheidet zwischen Lebenshaltungs- und Unterkunftsbedarfen. Beides ist streng getrennt. Vom monatlichen Regelsatz von 416 Euro sollen Arbeitslosen Lebensmittel und Kleidung kaufen sowie Geld zurücklegen, um Sonderanschaffungen wie eine neue Waschmaschine zu stemmen. Zusätzlich übernimmt das Amt die Wohnkosten »in angemessener Höhe«. Die jetzige Regelung zwingt die Betroffenen aber, die Mietkaution, die eigentlich in den Bereich Unterkunftsbedarfe fällt, von ihrem Regelsatz zu bestreiten. »Hier wird das Existenzminimum gekürzt«, beklagt Kipping.
Der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages, den Kipping nun um ein Gutachten in der Sache bat, enthält sich einer abschließenden Positionierung und verweist stattdessen auf ein anstehendes Urteil des Bundessozialgerichts. In dem Papier, das »neues deutschland« vorliegt, lässt der Dienst aber Zweifel an der derzeitigen Regelung erkennen. So schließt er sich nicht der Auffassung der Bundesregierung an, dass die Aufrechnung rechtmäßig ist.
Das Bundesarbeitsministerium als zuständiges Ressort verwies gegenüber »nd« am Mittwoch ebenfalls auf das Bundessozialgericht. Dort seien »drei Revisionen gegen Entscheidungen des Landessozialgerichts NordrheinWestfalen anhängig, in denen es um die Frage geht, ob eine Aufrechnung einer darlehensweise übernommenen Mietkaution mit laufenden Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende zulässig ist«. Angesichts der uneinheitlichen Rechtsprechung »wartet das Bundesministerium für Arbeit und Soziales die Klärung dieser Rechtsfrage durch das Bundessozialgericht ab«, so die Sprecherin weiter. Das Ministerium überlässt die Arbeit also den Gerichten. Generell legte man in der Sache bislang wenig Eifer an den Tag. In einer Antwort auf eine Kleine Anfrage von Kipping musste das Ministerium im September 2017 einräumen, dass man nicht einmal wisse, wie viele Menschen ein solches Darlehen per Aufrechnung zurückzahlen müssten.
Die Chancen stehen nicht schlecht, dass die Richter die derzeitige Regelung kassieren. Bereits im Juni 2015 äußerte das Bundessozialgericht Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Darlehens. Denn der Regelsatz sei nicht so berechnet, dass er ein Ansparen für Mietkautionen ermögliche.
Auch der Wissenschaftliche Dienst schließt sich indirekt den Kritikern an, indem er deren Hauptargument, der Regelbedarf enthalte keinen Ansparbetrag für Wohnungsbeschaffungskosten, nicht widerspricht. Bei der Lektüre des Papiers drängt sich der Eindruck auf, dass der Gesetzgeber das Problem mit der Aufrechnung schlicht »übersehen« hat. Anders ist nicht zu erklären, warum der Rege bedarf keinen Ansparbetrag für Wohnungsbeschaffungskosten enthält. Es sei denn, man unterstellt dem Gesetzgeber hier Absicht.
Dabei gibt es Alternativen. Katja Kipping etwa plädiert gegenüber »neues deutschland« dafür, »dass Mietkautionen und Genossenschaftsanteile vom Jobcenter übernommen werden und dann bei Auszahlung an das Jobcenter gehen«. Sprich: Das Amt überweist die Kaution für die neue Wohnung und erhält das Geld dann später vom Vermieter zurück. Schon jetzt können die Kosten der Unterkunft unter Umgehung des Hartz IV-Beziehers direkt an den Vermieter überwiesen werden.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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