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»Man verfolgt uns und ermordet uns«

Robert Guimaraes Vasquez über die Bedrohung indigener Völker im Amazonasgebiet durch Rohstoffausbeutung

  • Katharina Schwirkus
  • Lesedauer: 6 Min.
Worum geht es bei der Initiative »Cuencas Sagradas« (zu Deutsch: Heilige Quellen)?

Wir haben »Cuencas Sagradas« als indigene Gemeinschaften ins Leben gerufen, um unsere Quellen und Flüsse zu schützen. Ich lebe selbst in Ucayali, in einer Gemeinde im Süden Perus, die an Brasilien grenzt und im Amazonasgebiet liegt. Wir sind nicht nur vom Wald abhängig, auch die Flüsse sind sehr wichtige Ökosysteme für uns. Sie sind zudem unsere »Straßen«, unsere Transportwege, denn andere Wege haben wir nicht, um von A nach B zu kommen. Doch leider gibt es sehr schlechte Einflüsse auf die Wasserressourcen durch die Förderung von Rohstoffen, wie Kohle und Erdöl, die in unserer Region stattfinden.

Robert Guimaraes Vasquez

Robert Guimaraes Vasquez ist Präsident der Föderation der indigenen Gemeinschaften von Ucayali und Afluentes (FECONAU). Über die Gefahren, die Menschen im Amazonas durch Erdöl- und Bergbauprojekte drohen, sprach mit ihm für das »nd« Katharina Schwirkus.

Foto: privat

Was ist das Ziel von »Cuencas Sagradas« und wer setzt sich dafür ein?

Unser Ziel ist es, dass die Rohstoffförderung in unserer Region endet und keine neuen Konzessionen mehr vergeben werden. Wir brauchen eine »unantastbare Zone«, in der Unternehmen keinen Zutritt bekommen dürfen. Unser Ökosystem braucht Schutz.

Wie bekannt ist diese Initiative in Lateinamerika?

Die Initiative wird stärker. Ursprünglich wurde sie von den indigenen Gemeinden Ecuadors und Perus entworfen. Wir wollen auch Gemeinden in Brasilien für unser Anliegen gewinnen und sind gerade dabei, uns zu vernetzen. Auch Vertreter des peruanischen Staates haben Interesse angemeldet, die Initiative zu unterstützen.

Welche Konsequenzen haben Erdölförderung und Bergbau auf das Leben indigener Gemeinschaften?

Auf der einen Seite benötigen beide Rohstoffförderungen viel Wasser, um überhaupt abgebaut werden zu können. Dabei gelangen oftmals hochgiftige Chemikalien in die Flüsse, weil die Unternehmen keine guten Systeme verwenden oder weil es diese schlicht nicht gibt. Die Fische werden vergiftet und am Ende landen diese Fische in den Bäuchen der indigenen Gemeinschaften, die in den Amazonasgebieten leben. Auf der anderen Seite werden im Amazonasgebiet Straßen und Förderungsanlagen gebaut, wozu auch Wasser benötigt wird. Diese Baumaßnahmen haben tief greifende Auswirkungen auf unser gesamtes Ökosystem. Tiere ziehen sich zurück, die Populationen ändern sich und damit schwindet das, was wir jagen können.

Welche Tiere sind schwieriger zu jagen, seitdem Erdöl- und Bergbaufirmen in ihrer Region aktiv sind?

Es gibt weniger Wildschweine, weshalb wir gezwungen sind, mehr auf die Fischerei zurückzugreifen. Das wirkt sich natürlich auf die Populationen in den Flüssen aus: Nach und nach wird das Fischen immer schwieriger. Zudem ist es für uns auch nicht ungefährlich, immer mehr Fisch zu essen, aus den besagten Gründen der Wasserqualität.

Man kann argumentieren, dass die Rohstoffförderung Geld und Investitionen in ihre Regionen bringt.

Dieses Argument ist schlicht falsch. In der Vergangenheit haben wir gesehen, dass die indigenen Gemeinschaften nie von der Rohstoffausbeutung profitieren. Die Unternehmen kommen, bauen die Ressourcen ab und gehen wieder. Das Geld landet vielleicht in den großen Städten, aber sicher nicht bei uns. Sobald die Förderung beendet ist, verkommt auch die ganze Infrastruktur. Wir profitieren daher überhaupt nicht von diesem Geschäft, sondern werden nur geschädigt. Die Projekte machen uns immer ärmer: Die Wälder sterben, die Flüsse werden verschmutzt.

Wer soll »Cuencas Sagradas« implementieren und den Schutz des Regenwaldes überwachen?

Wir brauchen dafür zum einen die Vereinten Nationen. Im Rahmen des Pariser Klimaabkommens könnte unsere Initiative von der UN aufgenommen und verabschiedet werden. In diesem Rahmen könnten wir auch auf den Grünen Klimafonds zurückgreifen. Zum anderen brauchen wir aber auch den Rückhalt unserer eigenen Regierungen, also zum Beispiel der Ecuadors und Perus. Unsere Regierungen könnten an der Initiative durchaus Interesse zeigen, da sie im Endeffekt nicht nur die Ökosysteme, sondern auch die indigenen Völker und damit die traditionellen Kulturen unser Staaten bewahren würden.

Welchen Beitrag könnte Deutschland und die internationale Staatengemeinschaft leisten?

Wir wünschen uns von anderen Ländern, dass sie genauer hinschauen, wenn sie mit Peru Entwicklungsprojekte abschließen. Inwiefern nützen diese Projekte wirklich der Bevölkerung und kommt das Geld auch wirklich da an, wo es soll. Außerdem wünschen wir uns von der internationalen Staatengemeinschaft, dass sie sich mehr für den Schutz des Regenwaldes und der indigenen Völker einsetzt. Dazu gehört es auch, unsere Regierung zu ermahnen und aufzufordern, das Leben der indigenen Gemeinschaften besser zu schützen.

Was muss für diese Ziele getan werden?

Wir müssen zunächst einmal auf die Bedrohung unserer Völker aufmerksam machen. Im November 2014 wurden beispielsweise vier Asháninka-Führer in der Region Ucayali umgebracht. Im September 2017 wurden auf Palmölplantagen sechs Bauern durch Menschenhändler umgebracht. Doch diese Fälle sind international wenig bekannt und werden daher auch nicht angeprangert. Als Menschen, die sich für unseren Wald, für Umweltschutz, für unsere Flüsse und Territorien einsetzten, werden wir kriminalisiert. Man verfolgt uns und ermordet uns. Und bisher haben unsere Staaten keinen Mechanismus geschaffen, um uns zu schützen.

Wie erreichen Sie internationale Aufmerksamkeit für »Cuencas Sagradas«?

Es ist einer der Gründe, warum ich nach Deutschland gereist bin. Ich spreche mit Vertretern verschiedener politischer Parteien und mache diverse Veranstaltungen, bei denen ich die Zivilgesellschaft informiere.

Was wünschen Sie sich für künftige Entwicklungsprojekte?

Dass die Gelder direkt bei indigenen Gemeinschaften ankommen. Von diesen großen Fonds, die angeblich für uns da sind, haben wir wenig gesehen. Auf der Klimakonferenz COP23 haben wir einen Vorschlag für einen Klimafonds vorgestellt, der ausschließlich für den Schutz indigener Völker bestimmt sein soll. Wir setzen unsere Hoffnungen in die internationale Staatengemeinschaft und in das Regelwerk zum Klimaschutz, wenngleich wir im Amazonas weiterhin Bedrohungen und Erpressungen ausgesetzt werden.

Klimafonds werden in der Regel zum Schutz der Wälder und nicht für die dort lebenden Völker geschaffen. Wie begründen Sie die von Ihnen gewünschte Neuausrichtung?

Wir können von den Wäldern gar nicht sprechen, wenn wir nicht von ihren Bewohnern reden. Indigene Völker leisten einen großen Beitrag zum Klimaschutz, weil sie Ökosysteme erhalten. Deshalb sollten sie dabei unterstützt werden.

Spenden: Institut für Ökologie und Aktions-Ethnologie e.V., Konto: IBAN: DE 29430609 67406827 3901 BIC: GENODEM1GLS Verwendungszweck: Cuencas

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