Holocaust-Erinnerung ohne Rechtspopulisten

Landtag: AfD bekommt keinen Platz in Stiftungsrat niedersächsischer Gedenkstätten

  • Hagen Jung
  • Lesedauer: 3 Min.

Eine rechtslastige Partei, aus deren Reihen Andersdenkende und Menschen anderen Glaubens diskriminiert werden, darf nicht in einer Institution mitwirken, die an die Ermordung Andersdenkender und anders Glaubender durch das Hitlerregime gemahnt. Das bekräftigten die Große Koalition aus SPD und CDU sowie die oppositionellen Grünen und FDP-Abgeordneten jetzt einmütig im Landtag durch ein Gesetz, das die AfD vom Einzug in den Stiftungsrat der »Stiftung niedersächsische Gedenkstätte« ausschließt.

Formell geschieht das durch einen Passus, der besagt: Nur vier Vertreter des Landes werden in den Stiftungsrat gewählt. Klar, dass das Plenum aus der »fünften Fraktion«, aus der AfD, niemanden in das Gremium entsendet. Es folgt damit den Wünschen von KZ-Überlebenden und Opferverbänden. Aus ihren Reihen, so hatte Gedenkstätten-Geschäftsführer Jens-Christian Wagner unlängst berichtet, waren ernste Bedenken geäußert worden. Die Betroffen befürchteten, aus der AfD könnten Personen in den Stiftungsrat kommen, die den Holocaust verharmlosen oder leugnen und revisionistische oder antisemitische Meinungen vertreten.

Die Stiftung betreut die Gedenkstätte am ehemaligen Konzentrationslager Bergen-Belsen in der Heide, wo 21 000 sowjetische Kriegsgefangene durch Hunger und Entkräftung starben und später rund 52 000 KZ-Häftlinge unter dem Terror der SS ihr Leben verloren. Auch das Gefängnis in Wolfenbüttel, in dem das NS-Regime sogenannte »Volksschädlinge« hinrichten ließ, zählt zu den Orten, um die sich die Stiftung kümmert.

Gerade jetzt, wenn die letzten Zeitzeugen des Naziterrors auf ihr Lebensende zugehen, werde eine engagierte Gedenkstättenarbeit gebraucht, unterstrich Jens Nacke, Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion. Die Argumente der Opferverbände gegen die Präsenz von Rechtspopulisten im Stiftungsrat seien überzeugend. »Die Sorgen und Bedenken der Überlebenden sind für die CDU wichtiger als die AfD«, betonte der Politiker.

Das gilt auch für die SPD, wie ihr Abgeordneter Christoph Bratmann zu verstehen gab: Überlebende des Holocaust und Opfergemeinschaften, so der Sozialdemokrat, »haben ganz sensible Antennen, wenn es in Deutschland wieder Kräfte gibt, die Menschen nach Glauben und Abstammung sortieren«. So wie in der AfD, wo es Spitzenkräfte gebe, die Deutsch-Türken »nach Ostanatolien entsorgen« möchten. »Wehret den Anfängen«, rief Bratmann dem Plenum zu.

Die AfD sei eine Partei, die »unter dem Deckmantel bürgerlicher Spießigkeit und Freundlichkeit« bundesweit versuche, wieder Hass zu säen auf spezielle Bevölkerungsgruppen und Andersgläubige. So charakterisierte der FDP-Bildungsexperte Björn Försterling die Partei. Wenn die Überlebenden des Holocaust davor warnen, dass wieder zugesehen wird, wie solcher Hass geschürt wird, dann sei es Aufgabe der Politik, eine klare Grenze zu setzen. Und zwar denen, hinter deren Schafspelz die Wölfe stecken, so der Liberale.

Die AfD sei nicht so harmlos, wie sie in Niedersachsen tue, unterstrich der rechtspolitische Sprecher der Grünen, Helge Limburg. Noch nie habe sich der Landesverband der Rechtspopulisten von den fremdenfeindlichen Äußerungen des Bundesparteichefs Alexander Gauland distanziert und auch nicht von denen des AfD-Rechtsaußen Björn Höcke, der gegen das Holocaust-Mahnmal in Berlin gehetzt, es als »Denkmal der Schande« herabgewürdigt hatte.

Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) nahm die Vorlage des neuen Gesetzes zum Anlass, der Stiftung für ihr Engagement zu danken. Gedenkstätten zur Erinnerung an die Opfer der nationalsozialistischen Verbrechen seien unverzichtbare Lernorte einer historisch fundierten Demokratieerziehung.

Die AfD erging sich durch ihre Abgeordneten Klaus Wichmann und Dana Guth in Mäkelei am Gesetzestext und dessen formellem Zustandekommen. Inhaltlich, etwa zu den Bedenken der Opferverbände, äußerten sich die Rechtspopulisten dagegen mit keinem Wort.

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