Synagoge soll rekonstruiert werden

SPD-Fraktion unterstützt Bau am Fraenkelufer / Jüdische Gemeinde begrüßt Pläne

  • Martin Kröger
  • Lesedauer: 3 Min.
Es wäre ein Novum. Erstmals würde in Deutschland eine Synagoge nach historischem Vorbild rekonstruiert werden. »Wer Schlösser wieder aufbaut, der sollte auch Synagogen wieder aufbauen können«, sagt der SPD-Fraktionsvorsitzende im Abgeordnetenhaus, Raed Saleh. Der Berliner mit palästinensischen Wurzeln verfolgt seit einigen Monaten den Plan, am Fraenkelufer in Kreuzberg eine Synagoge wieder zu errichten. »Ein Zeichen im Sinne des Willkommens Jüdischen Lebens ist überfällig, eine Synagoge am Fraenkelufer wäre ein solches Zeichen«, sagt Saleh. Am Donnerstag lud er zu einem Vororttermin am Fraenkelufer, um das Projekt etwas näher zu erläutern.

Die vom Baumeister der jüdischen Gemeinde, Alexander Beer, einst an dieser Stelle zwischen den Jahren 1913 und 1916 im klassistischen Stil errichtete große Synagoge war während der Pogromnacht 1938 im Faschismus schwer beschädigt und zwischen 1958 und 1959 endgültig abgerissen worden.

Dort, wo die Synagoge mit 2000 Plätzen einst stand, befindet sich heute ein Gemeinschaftsgarten und nebenan ein Kleinfeld zum Fußballspielen. Beide Grundstücke befinden sich im Besitz des Landes Berlin. Für die Neubaupläne, die vor allem aus der SPD-Fraktion vorangetrieben werden, könnte das von Vorteil sein. Dass die Jüdische Gemeinde vor Ort, die die alte Jugendsynagoge weiter nutzt, durchaus Bedarf für eine Erweiterung hat, ist bekannt. Durch den Zuzug vieler Menschen jüdischen Glaubens nach Berlin und vor allem ins nahe gelegene Neukölln sind die Räumlichkeiten beispielsweise bei Festivitäten viel zu klein.

Mit an Bord für die SPD-Idee eines Neubaus der Synagoge ist inzwischen auch der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Gideon Joffe. Angesichts der Verdoppelung der antisemitischen Straftaten in den vergangenen Jahren will der Gemeinde-Vorsitzende zwei Konsequenzen ziehen. Einerseits müsse die Gemeinde sich um ihre Mitglieder kümmern. Dazu gehört, dass schnellstmöglich eine jüdische Sekundarschule in der Auguststraße in Mitte errichtet werden soll, da Schüler jüdischen Glaubens dieser Schulen ab der siebten Klasse derzeit die größten Probleme mit antisemitischen Anfeindungen haben.

Die zweite Konsequenz ist: »Wir müssen uns stärker öffnen und auf die Menschen zugehen, um zu zeigen, dass das Judentum eine Religion ist, vor der man sich nicht fürchten muss«, sagt Joffe. Da würde so ein neuer Ort, wie er in Kreuzberg wiedererrichtet werden soll, genau passen. Denn damit gebe es Platz genug, um mit Anwohnern und den zahlreichen bürgerlichen Initiativen und Organisationen in den benachbarten Kiezen in Kreuzberg und Neukölln, in denen viele Menschen mit muslimischem Glauben leben, in den Austausch zu kommen. »Alle sind herzlich eingeladen, damit man aufeinander zugeht«, sagt Joffe.

»Zwischen 20 und 25 Millionen Euro liegt der Kostenrahmen«, sagt der Architekt Kilian Enders. Er hat am Donnerstag einige Bilder mitgebracht, auf dem die weiße Synagoge mit ihren griechischen Säulen im neuen Glanze erstrahlt. Sie soll eine Grundfläche von 1300 Quadratmetern haben. Wie genau die Innenraumplanung wäre, ist indes unklar. Für genauere Angaben sei das Planungsstadium »viel zu früh«, sagt Enders. Ungefähr drei Jahre dürften die Planungen dauern, zwei Jahre würde gebaut werden. Wenn alles klappt, könnte die neue Synagoge bis zum 85. Jahrestag des Gedenkens an die Opfer der Pogromnacht von 1938 fertig sein. Also am 9. November 2023.

Ein Schwachpunkt der Idee könnte indes sein, dass der Vorschlag in der Hauptsache von der SPD vorangetrieben wird. »Ehrlich gesagt, sind wir bei diesem Projekt abhängig von der SPD-Fraktion«, sagt Joffe. Die Gemeinde selbst hat genug andere Aufgaben und hätte nicht die Energie gehabt, dieses Projekt in die Welt zu setzen. Obgleich sie es unterstützt.

Ebenfalls auffällig am Donnerstag: Vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg ist niemand gekommen. Die Bezirksverordnetenversammlung befürwortet zwar das Vorhaben, aber richtig eingebunden in die Planungen sind die kommunalen Vertreter offenbar nicht.

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