Werbung
  • Politik
  • Kampf gegen den Islamischen Staat

»Mit Hilfe deutscher Waffen wird ein Kalifat in Afrin errichtet«

Der Islamische Staat könnte in einigen Jahren zu einer Gefahr für Europa werden, meint Mustafa Bali, Sprecher der Syrisch-Demokratischen Kräfte

  • Kerem Schamberger
  • Lesedauer: 3 Min.

Warum haben die Syrisch-Demokratischen Kräfte​ (SDF) den Kampf gegen den Islamischen Staat (IS) in Deir-e-Zor gestoppt?

Am ersten Tag der türkischen Aggression gegen Afrin haben wir öffentlich erklärt, dass das Ziel der Türkei ist, den IS wiederzubeleben. Denn er stand kurz vor der Auslöschung. Die SDF sind keine Supermacht; sie können nicht an allen Fronten gleichzeitig kämpfen. Afrin ist eine Region, in der viele Minderheiten leben: Christen, Araber, Kurden, Aleviten, Jesiden. Das Ziel des türkischen Angriffes ist es, diese kulturelle Vielfalt zu zerstören. Als die Angriffe auf Afrin begannen, waren wir dazu gezwungen, diese Region und Stadt zu verteidigen. Deshalb haben sich einige unserer Einheiten dazu entschlossen, die Front in Deir-e-Zor zu verlassen und nach Afrin zu gehen. Und nun schlägt der IS in Deir-e-Zor zu.

Es soll Waffenlieferungen an den IS aus Irak gegeben haben. Schöpft der IS neue Kraft?

Dazu habe ich keine genauen Informationen. Aber es ist klar, dass die Türkei bereit ist, alles zu tun, um das Projekt der demokratischen Föderation Nordsyrien zu zerstören.

Wie verhalten sich Russland, die USA und die Europäische Union in dem Konflikt aus Ihrer Sicht?

Es ist beschämend. Die Menschen in Europa, nicht die Regierungen, sollten wissen, dass, wenn die Türkei die Kontrolle über Afrin erlangt, ganz Europa in Gefahr sein wird. Und wenn ich Türkei sage, meine ich den IS. Die Türkei kämpft dort mit deutschen Waffen, mit deren Hilfe sie ein Kalifat in Afrin errichten will. Wir sehen unseren Kampf hier auch als Schutz aller demokratischen Kräfte in der Welt. Aber wir werden gerade mit deutschen und NATO-Waffen angegriffen. Vor einigen Tagen erst hat Erdogan das Militärbündnis dazu aufgerufen, ihre südliche Grenze zu verteidigen. Bedeutet das also, dass diese Grenze durch den IS und die Al-Nusra-Front verteidigt werden soll?

Wie sieht das Leben in der einstigen IS-Hochburg Rakka aus, nachdem die Miliz von dort vertrieben wurde?

Rakka wird wiederaufgebaut. Derzeit wird an der Infrastruktur der Stadt gearbeitet, um den Menschen die Möglichkeit zur Rückkehr zu geben. Es werden gerade zivile Institutionen und Dienstleistungseinrichtungen wiederaufgebaut. Außerdem errichten wir ein Sicherheitssystem für die Stadt. Es sollte aber allen klar sein, dass nach dem Angriff auf Afrin in dieser Region Schläferzellen des IS jeden Tag stärker werden.

Kerem Schamberger ist Medienwissenschaftler und politischer Aktivist aus München. Er hält sich zur Zeit in Rakka auf.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal