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Immobilienbranche klagt über Rot-Rot-Grün

Projektentwickler fühlen sich gegängelt durch mieterorientierte Politik in Senat und Bezirken

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Projektentwickler Christoph Gröner, Geschäftsführer der CG Gruppe, ist auf Krawall gebürstet. Er fühlt sich nicht ernst genommen von Senat und Bezirken. Sein Ansatz für die Lösung der Wohnungsfrage in der Hauptstadt wäre, die Kaufkraft zu stärken, anstatt zu versuchen, leistbare Wohnungen zu erhalten oder neu zu bauen. »Es wird unter dem Radar und für die Klientel, die sie gewählt hat, Wohnungspolitik betrieben«, wirft er unter anderem Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (LINKE) vor. »Berlin ist, anders als andere Hauptstädte, nicht das wirtschaftliche Zentrum des Landes«, entgegnet diese recht kühl.

Gröner legt nach: Trotz »klientelfreundlichen Verhaltens«, er meint damit die Einhaltung der 30-Prozent-Quote leistbaren Wohnraums bei seinem Umbauprojekt des ehemaligen Postgiroamts am U-Bahnhof Möckernbrücke, sei er vergangene Woche vom Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg »verdroschen« worden. Lompscher nennt die kooperative Baulandentwicklung ein »inzwischen bewährtes Modell«, das in mehr als 100 Bebauungsplänen angewandt worden sei.

So deutlich wie Gröner äußert sich auf der Bühne sonst niemand beim Berliner Immobilienkongress am Mittwoch. Offensichtlich ist die Stimmung in der privaten Immobilienwirtschaft jedoch angespannt angesichts der neuen Vorgaben, die Rot-Rot-Grün beim Wohnungsbau macht.

Doch die hohen Bodenpreise und der Mangel an baureifem Land zwingen auch landeseigene Unternehmen zu Kreativität. Die berlinovo jedenfalls, die 2500 Studentenunterkünfte im Senatsauftrag errichten soll, versucht es damit. Sie hat den Berliner Bäderbetrieben vorgeschlagen, die Schwimmhalle in der Friedrichshainer Holzmarktstraße wegen deren Sanierungsbedürftigkeit abzureißen und neu zu bauen, dann allerdings mit einem kompletten Wohnheim über dem Becken. »Das ist technisch schwierig, aber durchaus machbar«, sagt Roland Stauber, Sprecher der berlinovo-Geschäftsführung. Abgesehen von diesem Projekt befänden sich 800 Unterkünfte derzeit in der Genehmigungsphase bei den Bezirken.

Der Senatslinie, städtische Grundstücke an Landeseigene zu vergeben. bescheinigt Jörg Lippert vom Verband Berlin-Brandenburgischer Woh᠆nungsunternehmen »eine innere Logik«. Nicht einverstanden sei er damit, dass Genossenschaften, die einen ähnlichem sozialen Anspruch haben, keine Grundstücke bekämen.

»Der Clusterungsprozess der landeseigenen Liegenschaften ist nach wie vor nicht abgeschlossen, auch politisch nicht«, bedauert die Senatorin. Und bei den neuen Stadtquartieren sei man schlicht nicht so weit, wie man sein sollte. Doch wenn die Planreife da ist, sollten auch Private Entwickler zum Zuge kommen, stellt sie in Aussicht. Allerdings per Erbbaurecht. Eine aktive Baulandpolitik, also der Ankauf von Grundstücken durch den Senat, sei in Vorbereitung.

Als aktuellen Hotspot für Immobilienentwickler identifizierten die Kongressausrichter den Bezirk Lichtenberg. Allein Architekt Marc Kocher plant derzeit 1500 neue Wohnungen im Wohngebiet »Weiße Taube« an der Landsberger Allee und weitere 1100 an der Rhinstraße 139. Kocher beklagt eine »Überregulierung«, die den ganzen Bauprozess behindere.

Ihm sei bewusst, dass Private kaum unter zehn Euro Kaltmiete pro Quadratmeter bauen könnten, sagt Bezirksbürgermeister Michael Grunst (LINKE). »Allerdings haben wir ein hohes Interesse an stabilen Mieten.« Da jedoch zwei Drittel der Wohnungen Landeseigenen oder Genossenschaften gehörten, sei er zuversichtlich. Berlinweit sind drei Viertel der 1,9 Millionen Wohnungen in Privathand.

»Gewöhnungsbedürftige räumliche Bezüge« attestiert Jacopo Mingazzini von Accentro Real Estate einem weiteren Hotspot, dem Gebiet rund um den Ostbahnhof. Dennoch macht er sich keine Sorgen, seine Wohnungen loszuwerden. Zwischen 3700 und 5800 Euro pro Quadratmeter verlangt er für die modernisierten und aufgestockten Bauten aus dem Jahr 1958 an der Koppenstraße. »Für Wohneigentum setzt sich der Bezirk gar nicht ein«, beklagt er.

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