»Ich war, ich bin, ich werde sein«

Der geschichtsvergessenen Zerstörungswut der PiS fiel auch eine Erinnerungstafel an Rosa Luxemburg zum Opfer

  • Ludger Storch, Warschau
  • Lesedauer: 3 Min.
Am 13. März 2018 wurde in Zamość die an Rosa Luxemburg erinnernde Tafel von dem Haus entfernt, in dem sie als kleines Mädchen die ersten Lebensjahre verbrachte. Die geschichtsvergessene Entscheidung traf der Wojewode aus Lublin, der wie alle anderen Wojewoden von der jeweiligen Regierung in Warschau eingesetzt wird. Der Wojewode hatte sich zuvor bei der staatlichen Geschichtsbehörde IPN (Institut für nationale Erinnerung) schlau gemacht, ob die Gedenktafel unter die Bestimmungen des Gesetzes zur Säuberung des öffentlichen Raums von den Überbleibseln des Kommunismus falle.

Die Expertise der Behörde kam zu dem Schluss, dass die Tafel den Tatbestand kommunistischer Propaganda erfülle. Laut geltender Geschichtsgesetzgebung musste die Gedenktafel nun entfernt werden, weil sie öffentlich zugänglich war. Der Wojewode setzte der Stadt einen Termin, bis zu dem das die Allgemeinheit herausfordernde Corpus Delicti zu entfernen sei. Ein Recht auf Einspruch der Stadt gegen die Weisung des Regierungsbeamten gibt es nicht, der Wojewode ist in den die Öffentlichkeit betreffenden Geschichtsfragen nach dem Willen der Regierung die letzte Instanz.

Auf der 1979 angebrachten Tafel steht der schlichte Hinweis, dass Rosa Luxemburg, die herausragende Vertreterin der internationalen Arbeiterbewegung, hier zur Welt gekommen ist. Was - so könnte gefragt werden - ist daran kommunistische Propaganda? Wäre Polen jetzt umzingelt und bedroht von kommunistischen Eindringlingen, die das Land zu verwüsten drohten, wer würde den Schritt, die Tafel von Zamość aus der Öffentlichkeit zu entfernen, nicht verstehen. So aber bleibt der Eindruck, hier werde blindwütig Rache geübt für etwas, was als schlimmer nationaler Verrat angesehen wird.

Wenn heute in höchsten Kreisen in Warschau davon ausgegangen wird, dass es ein Polen zwischen 1944/45 und 1989 gar nicht gegeben habe, so wundert es kaum, wenn wieder Tafeln von den Wänden des Landes heruntergeholt werden, die geschichtspolitisch nicht in den Kram passen. Ein Vorwand ist schnell bei der Hand.

Bei Rosa Luxemburg musste das berühmte Breslauer Gefängnismanuskript vom Sommer 1918 über die russische Revolution als Begründung herhalten - hier habe sie die bolschewistische Weltrevolution beschworen. Im Jahre 1910 gab es in polnischen Kreisen eine heftige antisemitische Kampagne gegen Rosa Luxemburg und Leo Jogiches. Es wurde ein Wiederaufflammen der Revolution von 1905/06 befürchtet, weil im Frühjahr eine große Streikwelle die großen Industriezentren des zum Zarenreich gehörenden Landes lahmlegte. Ungeniert wurde gefragt, ob Juden wie Rosa Luxemburg und Leo Jogiches die »polnischen Arbeiter« führen dürften. Dem geduldigen Papier anvertraut wurde, dass Rosa Luxemburgs Vorfahren den polnischen Bauern Schnaps ausgeschenkt hätten, doch das Gift, das Luxemburg den polnischen Arbeitern nun verabreiche, sei viel gefährlicher.

Nicht wenige der heutigen Geschichtsritter in Polen würden den Satz noch immer unterzeichnen. Wovor sie sich scheuen, ist die sachliche intellektuelle Debatte, in der es um die nicht immer einfach zu verstehenden großen Auseinandersetzungen in der Geschichte der Arbeiterbewegung Polens geht. Wer in dem Streit um Zeitgeschichte auf eine Geschichtsbehörde und auf Regierungsbeamte setzt, ist auf dem Holzweg.

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