Kosten für Tagesmutter sind zu erstatten

Zwei Urteile: Kein Kitaplatz vorhanden

  • Lesedauer: 4 Min.

Eltern eines einjährigen Jungen wollten im Eilverfahren einen wohnortnahen Kitaplatz erstreiten. Der Antrag wurde trotz des Rechtsanspruchs abgewiesen.

Im Beschluss der 18. Kammer des Berliner Verwaltungsgerichts vom 21. Februar 2018 (Az. VG 18 L 43.18) wurde zugleich deutlich gemacht, dass die Mittel für eine »selbstbeschaffende Hilfe« erstattet werden müssen. Die Kosten für eine private Betreuung könnten den Bezirksämtern in Rechnung gestellt werden, wie ein Sprecher erläuterte.

Rechtsanspruch auf Kitaplatz

Seit 1. August 2013 haben Eltern für ihre Kinder, die nach dem 31. Juli 2012 geboren sind, einen Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz oder die Betreuung durch eine Tagesmutter (Sozialgesetzbuch VIII). Die Kommune ist also per Gesetz verpflichtet, einen Kitaplatz oder eine Tagesmutter für die Betreuung zur Verfügung zu stellen.

Zwar hat der Bundesgesetzgeber einen Rechtsanspruch auf Kindertagesbetreuung formuliert, die Umsetzung aber ist den örtlichen Jugendhilfeträgern überlassen, in der Regel den Jugendämtern. In der Praxis bedeutet dies, dass jeder Individualfall anders behandelt wird, der Rechtsanspruch notfalls eingeklagt werden muss. Betroffenen ist daher zu empfehlen, sich an den örtlichen Jugendhilfeträger (Jugendamt) zu wenden.

Ein Beispiel aus der Rechtspraxis: Im Juli 2016 hatte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in einem Münchner Fall entschieden: Weil die Eltern keinen passenden Platz in einer städtischen Krippe fanden, hatten sie ihr Kind in einer privaten Einrichtung angemeldet. Die Differenz von fast 1000 Euro pro Monat von städtischer zu privater Krippe wurde der Familie als Schadenersatz zugesprochen. nd

In dem Beschluss wurde der gesetzliche Anspruch auf einen Betreuungsplatz bekräftigt. Jedoch könne hier das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg diesen Anspruch wegen fehlender Kapazitäten derzeit nicht erfüllen. Das Amt habe zwar die Pflicht, neue Dienste sowie Einrichtungen zu schaffen und das Angebot zu erweitern. Dies lasse sich aber nicht so kurzfristig realisieren, dass die Eltern umgehend einen Kitaplatz für ihren Nachwuchs bekommen könnten. Damit laufe der Rechtsanspruch ins Leere.

Damit die Eltern aber »nicht gänzlich schutzlos gestellt« seien, werde der erste Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einen Sekundäranspruch auf Kostenerstattung umgewandelt, hieß es im Gerichtsbeschluss. dpa/nd

OVG: Berlin muss genügend Kitaplätze anbieten

Berlin muss zwei Kindern, deren Eltern geklagt haben, einen wohnortnahen Kitaplatz zur Verfügung stellen, gegebenenfalls auch durch eine Ausnahmegenehmigung hinsichtlich einer Überbelegung.

Das hat das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg am 22. März 2018 in zwei Eilverfahren entschieden. Das in der Vorinstanz angerufene Verwaltungsgericht hatte die zwei Anträge auf Zuweisung eines Kitaplatzes abgewiesen. Zwar wurde in einem der Verfahren Ende Februar (siehe vorstehend) bekräftigt, dass ein gesetzlicher Anspruch auf einen Betreuungsplatz bestehe. Wegen fehlender Kapazitäten konnte der Anspruch jedoch damals nicht erfüllt werden.

Das Oberverwaltungsgericht entschied nun hingegen, dass dieser Anspruch dazu verpflichte, die nötigen Kapazitäten zu schaffen. Fachkräftemangel und andere Schwierigkeiten würden nicht von einer gesetzlichen Pflicht entbinden. Die Stadt hat den Angaben zufolge fünf Wochen Zeit, um den beiden Kindern aus Pankow und Friedrichshain-Kreuzberg einen Kitaplatz in angemessener Entfernung zu ihrer Wohnung zu verschaffen.

Eine Sprecherin der Senatsverwaltung für Bildung sagte: »Wir prüfen das jetzt und dann schauen wir, was das in der Praxis bedeutet.« Derzeit gibt es in Berlin 168 000 Kitaplätze. Momentan würden in Berlin aber 2500 Plätze fehlen. dpa/nd

Keine Garantie für genügend Kitaplätze

Nach der Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts zu den Kitaplätzen hat die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Hermann (Grüne), die Senatsverwaltung für Bildung kritisiert. Diese habe das Problem der fehlenden Plätze für die Kinder lange ignoriert, sagte sie.

Der Bezirk könne nun nicht garantieren, dass innerhalb von fünf Wochen, wie es das Oberverwaltungsgericht verlange, ausreichend Kitaplätze bereitstehen werden. Auf der Warteliste im Bezirk stünden 300 Kinder. Laut Hermann gibt es ein Strukturproblem. Die Entscheidung über die Aufnahme von Kindern liege bei den Trägern, die Bezirke hätten kein Zugriffsrecht.

Daraufhin bekräftigte Berlins Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD), dass der Senat alles tun werde, um den Rechtsanspruch auf einen Kitaplatz umzusetzen. In der Verantwortung seien aber auch die Bezirke: »Die Jugendämter müssen den Eltern Plätze vermitteln. Das Land Berlin hat eine Verantwortung, die Bezirke zu unterstützen. Wir stellen über 200 Millionen Euro zur Verfügung. Wir haben ein eigenes Landesprogramm und arbeiten mit den Trägern zusammen, dass wir jetzt schon über 40 000 Plätze geschaffen haben. Das Land Berlin ist jetzt sogar dazu übergegangen, selber Kitas zu bauen.« Erklärtes Ziel sei es, bis 2021 etwa 25 000 neue Kitaplätze zu schaffen.

Scheeres betonte, grundsätzlich halte das Land an dem Belegungsschlüssel für Kitas fest. In Einzelfällen müsse es auch zu Überbelegungen in einigen Kitas kommen: »Da, wo es notwendig ist, wo wir einen Kitaplatz für einzelne Eltern benötigen, die keinen bekommen, kann man punktuell eine Überbelegung beantragen. Das ist möglich. Es muss nur getan werden. Und darum geht es ja jetzt, dass genau diese Instrumente genutzt werden und dass die Träger dieses dann auch umsetzen. Also wir müssen hier an einem Strang ziehen.« dpa/nd

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