Lässt der Senat Asylunterkünfte leerstehen?

Flüchtlingsorganisationen erheben schwerwiegende Vorwürfe, Verwaltung weist Kritik vehement zurück

  • Marina Mai
  • Lesedauer: 3 Min.

Das Netzwerk von ehrenamtlichen Flüchtlingshelfern »Berlin hilft« wirft dem Land Berlin vor, fertig gestellte Flüchtlingsheime nicht zu beziehen, weil es keinen Betreiber gibt. Die Ausschreibungen erfolgten den Vorwürfen zufolge zu spät. Konkret nennt die Initiative die ehemalige Notunterkunft in der Großbeerenstraße in Tempelhof-Schöneberg, die Ende März geräumt wurde und zur Gemeinschaftsunterkunft ausgebaut wird - beziehungsweise längst ausgebaut wurde, wenn man »Berlin hilft« glaubt. Der Initiative zufolge fehle lediglich die Möblierung.

Die 160 Bewohner, darunter viele Schulkinder, mussten Ende März in die Containersiedlung auf dem Tempelhofer Feld ziehen und wurden damit aus ihrer vertrauten Wohnumgebung gerissen. »Für manche Kinder verbessert sich der Schulweg durch den Umzug. Für andere wird es einen Shuttle geben«, so »Berlin hilft«.

Monika Hebbinghaus vom Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) weist den Vorwurf zurück. »Die Unterkunft macht sicher von außen einen fertigen Eindruck. Allerdings stehen Arbeiten an der Elektrik und an den Küchen aus.« Anders als die Notunterkunft, die das Gebäude bisher beherbergte, braucht eine Gemeinschaftsunterkunft Küchen, in denen die Flüchtlinge ihr Essen selbst zubereiten können. Hebbinghaus: »Wir haben auch an anderer Stelle in Berlin keine bezugsfertigen Unterkünfte, die nur leerstehen, weil es noch keinen Betreiber gibt.« Unter der Ägide von Ex-Sozialsenator Mario Czaja (CDU) kamen Verträge für Flüchtlingsheime in der Regel ohne Ausschreibung zustande, was gesetzlich aber nicht zulässig ist. Rechtssichere Ausschreibungen dauern lange. Dazu sind zudem spezialisierte Juristen notwendig.

Monika Hebbinghaus räumt indes ein, dass der Vertrag für einen Betreiber in der Großbeerenstraße noch nicht ausgeschrieben ist. »Die Ausschreibung ist in Vorbereitung. Mit einem Ergebnis im Bieterverfahren rechnen wir im Spätsommer.« Hebbinghaus zufolge war es juristisch nicht möglich, die Bewohner und den alten Betreiber bis zum Ende der Neuausschreibung in der vertrauten Unterkunft zu lassen, weil der Betrieb einer Notunterkunft und der einer Gemeinschaftsunterkunft unterschiedlicher Verträge bedürfen. Das hatte »Berlin hilft« gefordert. Hebbinghaus: »Die ehemaligen Bewohner sind froh, dass sie in der Containersiedlung auf dem Tempelhofer Feld endlich selbst kochen können. Sie weiter in einem Provisorium zu belassen, um ihnen den Umzug zu ersparen, entspricht nicht den Wünschen der Geflüchteten.«

Insgesamt leben 24 000 Flüchtlinge in Berlin in Wohnheimen, für die das Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten zuständig ist. 1500 von ihnen müssen noch in Notunterkünften wohnen, wo man nicht selbst kochen kann. Rot-Rot-Grün sieht es als wichtige Aufgabe an, die Notunterkünfte so schnell wie möglich zu schließen. Auf der anderen Seite gibt es laut offizieller Statistik derzeit fast 1200 freie Plätze in Gemeinschaftsunterkünften, darunter rund 300 auf dem Tempelhofer Feld.

»Berlin hilft« geht davon aus, dass der Umzug vor den Ex-Flughafen erfolgt sei, um dort den Leerstand aus rein finanziellen Gründen gering zu halten. »Nicht hinter vorgehaltener Hand, sondern relativ offen wird kommuniziert, dass die unverhältnismäßig teuren Tempohomes auf dem Tempelhofer Feld belegt werden müssen, um deren Kosten in Bau und Betrieb zu rechtfertigen. Insbesondere die Senatsverwaltung für Finanzen soll hier Druck gemacht haben, die Belegung zu forcieren und Kosten an anderer Stelle zu reduzieren«, heißt es auf der Website der Initiative.

Eva Henkel, Sprecherin der Finanzverwaltung, sagt dazu: »Es ist die Aufgabe des Landes Berlin, Geflüchtete von Notunterkünften in vernünftige Unterkünfte zu vermitteln. Das haben wir getan.« Wegen des Tempelhof-Gesetzes muss die Containersiedlung auf dem Tempelhofer Feld mit rund 1000 Plätzen bis Ende 2019 abgebaut sein.

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