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Streikpause: Berliner Charité-Tochter CFM vor Tarifabschluss?
Verdi und CFM wollen ab Montag über Stufenplan zur TVöD-Anbindung verhandeln
Für Verwunderung bei den Streikenden sorgte am Dienstag, dass zum ersten Mal seit Beginn der Arbeitsniederlegung Polizei im Innenhof des Virchow-Klinikums auftauchte und die dortigen Streikposten observierte. »Eigentlich hat die Charité hier ja das Hausrecht und die Polizei hat hier nichts zu suchen«, sagt einer der Streikenden zu »nd«. Dann spricht er aus, was die anderen hier auch denken: »Vermutlich hat die Charité-Leitung damit selbst etwas zu tun.« Das sei kein wirklich gutes Zeichen gegenüber den Angestellten, »während auf oberer Ebene hinter verschlossenen Türen miteinander gesprochen wird«, fügt er hinzu.
Seit Anfang der Woche versuchen die Leitungen der Universitätsklinik Charité und ihrer Tochterfirma Charité Facility Management GmbH (CFM) mit der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, Kompromisse zu finden, um wieder an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Die etwa 700 aktiv beteiligten CFM-Angestellten hielten den Streik noch die gesamte Woche aufrecht. Am Freitag aber beschlossen sie auf einer Versammlung, den Arbeitskampf von diesem Samstag an auszusetzen. »Die CFM und die Charité-Leitung hatten die Aussetzung des Streiks zur Bedingung gemacht, um in Verhandlungen einzutreten«, hieß es von Verdi-Seite. Diese Verhandlungen sollen am Montag wieder aufgenommen werden.
Der zwischen Verdi und CFM vereinbarte Gesprächsrahmen umfasse die Verhandlung über einen Stufenplan zur Erreichung des Lohnniveaus aus dem Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD). Auch über vereinzelte Verbesserungen bei den sonstigen Arbeitsbedingungen aus dem sogenannten Manteltarifvertrag soll verhandelt werden.
»Der Entscheidung, den Streik vorerst auszusetzen, war eine intensive Diskussion unter den Streikenden vorausgegangen«, sagte Verdi-Verhandlungsführerin Gisela Neunhöffer. Nach unzähligen Gesprächen mit den Kolleg*innen habe die Streikversammlung dann am Freitagmorgen mit über 300 Personen die Aussetzung beschlossen.
Bei vielen der CFM-Beschäftigten herrscht jedoch ein starkes Misstrauen, ob die Geschäftsleitung ohne den Druck des Streiks zu ernsthaften Verhandlungen bereit ist. »Verhandlungen während eines Streiks sind im Rahmen von Erzwingungsstreiks üblich. Von dieser Praxis weichen die Beschäftigten nun ab, um die Blockadehaltung der CFM-Geschäftsleitung zu beenden«, ordnet Neunhöffer die aktuelle Dynamik ein.
»Wir stehen sofort wieder auf der Straße, wenn die CFM in den Verhandlungen weiter blockiert.«
Anne Ruback Diätassistentin bei der CFM
Ähnlich beschreibt es auch Anne Ruback, die bei der CFM als Diätassistentin angestellt ist und in der Tarifkommission für die Streikenden mitverhandelt. »Wir geben der CFM und der Charité jetzt einen sehr großen Vertrauensvorschuss. In unseren Diskussionen wurde jedoch auch deutlich, dass wir sofort wieder auf der Straße stehen, wenn die CFM in den Verhandlungen weiter blockiert.«
Zwischen welchen politischen Kräften die CFM-Beschäftigten in ihrem Kampf um eine würdige Bezahlung für ihre schwere und systemrelevante Arbeit immer wieder zerrieben zu werden drohen, zeigen auch aktuelle Äußerungen des Geschäftsführers der Berliner Krankenhausgesellschaft (BKG), Marc Schreiner. Dieser hält eine Bezahlung nach TVöD für die CFM-Beschäftigten für unverantwortlich. Er argumentiert, Verdi betreibe mit dem Streik an der Charité Klientelpolitik zum Nachteil aller Kliniken der Stadt. Zudem biege die Politik falsch ab, indem sie sich für die Eingliederung der CFM in die Charité und die Bezahlung nach Tarif ausspreche. Im Ton eiskalter Kosten-Nutzen-Analyse der Arbeitgeberseite klingt das bei Schreiner so: »Durch die Eingliederung der CFM in den Tarifvertrag der Charité entstehen dauerhaft zusätzliche, konsumtive Kosten von etwa 40 Millionen Euro, ohne einen Mehrwert zu schaffen, der über die bisher erbrachten Leistungen hinausgeht.«
Tobias Schulze, Linksfraktionschef im Berliner Abgeordnetenhaus, begleitet den CFM-Streik seit Wochen solidarisch. Ihm zufolge könnte die Bezahlung nach TVöD bei der CFM der Anfang für verbesserte Arbeitsbedingungen in allen Krankenhäusern Berlins sein. »Ganz entscheidend ist jetzt, dass sich der Senat nicht aus der Verantwortung zieht. Die Politik muss dringend Geld in die Hand nehmen, um zuerst an der Charité als großem Universitätsklinikum und damit Aushängeschild der Stadt für gerechte Bezahlung zu sorgen, und dann auch alle anderen Krankenhäuser zu fördern«, sagte Schulze zu »nd«. Dementsprechend fordere Die Linke zusammen mit Verdi seit Längerem einen sogenannten »Fonds für gute Arbeit«, mit dem sowohl die Krankenhäuser öffentlicher als auch privater Träger unterstützt werden, so der Linke-Politiker weiter.
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Was die Senatsfinanzverwaltung auf nd-Anfrage antwortet, weist nach wie vor in eine andere Richtung. Die Tarifverhandlungen würden »ohne Beteiligung des Senats« erfolgen, heißt es aus dem Hause von Finanzsenator Stefan Evers (CDU).
Und auch auf die Nachfrage nach den finanziellen Spielräumen des Senats zur Unterfütterung eines Tariflohns für alle an der Charité Beschäftigten antwortet die Senatsverwaltung nur ausweichend: »Die finanziellen Spielräume der Charité sind angesichts ihres erheblichen Defizits begrenzt. Der Senat arbeitet gemeinsam mit der Charité an deren wirtschaftlicher Konsolidierung.«
Aussagen, die zeigen, dass der Druck von unten offenbar hoch bleiben muss. Daher haben die im Arbeitskampf befindlichen CFM-Beschäftigten am Freitag betont, dass ihr Streik nur für ein zeitlich eng begrenztes Fenster bis Montagabend ausgesetzt sei. »Wenn bis dahin bei den Verhandlungen keine wirklich substanziellen Fortschritte erzielt werden können, geht der Streik sofort weiter«, berichtet Tobias Schulze von Gesprächen mit Beteiligten unmittelbar nach der Streikversammlung am Freitag.
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