Westen auf Kriegskurs

Nach dem Angriff der USA und ihrer Verbündeten auf Syrien ist die Rückkehr zum Dialog ein Gebot der Stunde

  • Roland Etzel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Militärschläge der USA, Großbritanniens und Frankreichs auf Ziele in Syrien wegen eines angeblichen Chemiewaffen-Einsatzes in der Nacht zu Sonnabend sind noch am selben Tag Gegenstand einer Sondersitzung des UN-Sicherheitsrates gewesen. Russland hatte das Treffen verlangt und die Raketenangriffe scharf verurteilt. Der Überfall auf ein souveränes Land, so der russische Vertreter im Rat, sei ein schwerer Verstoß gegen das Völkerrecht. Außerdem entstehe der Verdacht, dass die USA ihre Attacke durchziehen wollten, ehe die in Syrien angekommenen Chemiewaffen-Inspekteure zu für die USA unangenehmen Resultaten kommen könnten.

Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits zuvor in Moskau, an die US-Regierung gewandt, erklärt: »Sie begünstigen tatsächlich die Terroristen, die das syrische Volk schon seit sieben Jahren quälen, und provozieren eine neue Flüchtlingswelle aus dem Land und der ganzen Region.« Die gegenwärtige Eskalation der Situation in Syrien habe eine verheerende Wirkung auf die gesamten internationalen Beziehungen. Dessen ungeachtet wurde ein Resolutionsentwurf, der den Angriff verurteilt hätte, im Sicherheitsrat mit acht zu drei Stimmen, bei vier Enthaltungen, abgelehnt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte zwar noch am Donnerstag eine aktive deutsche Mitwirkung an einem Angriff auf Syrien abgelehnt, die Aktion am Sonnabend gleichwohl gutgeheißen. Dpa zitierte sie am Sonnabend mit den Worten. »Der Militäreinsatz war erforderlich und angemessen, um die Wirksamkeit der internationalen Ächtung des Chemiewaffeneinsatzes zu wahren und das syrische Regime vor weiteren Verstößen zu warnen.«

Die USA und Frankreich drohten am Sonntag mit weiteren Angriffen auf Syrien, sollten dort erneut Chemiewaffen zum Einsatz kommen. US-Präsident Donald Trump, der dem Vernehmen nach noch umfangreichere Angriffe befehlen wollte, aber von seinem Verteidigungsminister James Mattis gebremst worden sein soll, hatte sich zuvor überschwänglich über den Erfolg der Militäraktion geäußert. Es sei ein »perfekt ausgeführter Schlag« gewesen, Trump auf Twitter. Das Ergebnis hätte nicht besser sein können: »Mission erfüllt!« nahm er wohl nicht zufällig ein Wort seines Amtsvorgängers George Bush jun. nach der US-Invasion Iraks vor 15 Jahren auf.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron, zuvor eine der treibenden Kräfte für einen Angriff auf Syrien, sieht jedoch auch einen Notwendigkeit zum Dialog zu rückzukehren, vor allem mit Russland. Trotz der Konfrontationen mit Moskau bleibt es bei seiner Reise nach Russland. Der Besuch des Internationalen Wirtschaftsforums in St. Peterburg sei davon nicht in Frage gestellt, sagte der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian am Samstag dem französischen Fernsehsender BFMTV. Macron war von Putin zu dem Forum am 24. und 25. Mai eingeladen worden.

Auch Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier mahnte die Großmächte, den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen. Er rief Moskau und Washington zu einer gemeinsamen Friedensinitiative auf. »Die großen Mächte«, zitiert dpa Steinmeier, »tragen größere Verantwortung. Hier muss ein erster Schritt erfolgen. Das sind Putin und Trump der Welt schuldig«, sagte er gegenüber »Bild am Sonntag«.

Die syrische Regierung hatte wie ihre Schutzmächte Iran und Russland den Angriff als ungerechtfertigt und Bruch des Völkerrechts verurteilt. Präsident Baschar al-Assad zeigte sich im übrigen betont unbeeindruckt. Das syrische Fernsehen zeigte ihn am Morgen nach dem Angriff mit Aktentasche beim Betreten des Regierungspalastes. »Die Aggression«, so Assad laut der Nachtrichtenagentur Sana, »wird Syrien und die Syrer noch entschlossener machen, weiterzukämpfen und den Terror in jedem Teil des Landes zu zerschlagen.« Das syrische Fernsehen zeigte mit syrischen Staatsflaggen demonstrierende Menschen in Aleppo, Damaskus und anderen Städten.

Ebenfalls am Sonnabend war vom syrischen Fernsehen berichtet worden, dass nach dem Abzug der letzten islamistischen Aufständischen aus der Ost-Ghuta die syrische Armee nach eigenen Angaben nun die volle Kontrolle über die Ost-Ghuta habe; jenes Gebiet, das seit 2013 von Regierungsgegnern gehalten worden war und in dem auch der Giftgas-Einsatz stattgefunden haben soll. Russische Spezialisten erklärten am selben Tag, dass sie dort bisher keine Spuren der dort angeblich eingesetzten Substanzen vorgefunden habe. Das sollen jetzt auch die UNO-Inspekteure prüfen, die am Sonntag auf dem Wege in die Region waren.

In Deutschland lösten die Angriffe auf Syrien heftige Kontroversen zwischen Regierung und Opposition aus. Während Außenminister Heiko Maas den Überfall u. a. mit »der schwierigen Situation im UN-Sicherheitsrat« rechtfertigte, fordert die LINKE, die Bundesregierung sollte besser besonnen auftreten und weitere Beistandsbekundungen unterlassen.

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