Versöhnen statt spalten

Fantasy Filmfest Nights

  • Thomas Blum
  • Lesedauer: 3 Min.

Sie erinnern sich vielleicht: Vor zehn Jahren terrorisierten in dem wunderbar nihilistischen Thriller »The Strangers« (2008) einige Maskierte ein junges Paar. Raffiniert an dem Film war unter anderem, dass die ausbrechende Gewalt und der unvorhersehbare Terror nicht mittels allerlei überflüssigem Erklärbärentum abgemildert wurden. Die Botschaft war: Unsere Gesellschaft ist so konstruiert, dass Gewalt der Normalfall ist, dass ein Alltag, in dem die einen den anderen nicht Leid zufügen, gar nicht denkbar ist, einen Grund dafür braucht es gar nicht zwingend.

Auf dem an diesem Wochenende in mehreren deutschen Städten stattfindenden diesjährigen »Fantasy Filmfest Nights« wird nun die Fortsetzung des Films (»The Strangers: Prey At Night«) zu sehen sein. Versprochen wird dem geneigten Zuschauer unter anderem ein »80er-Jahre-Retro-Slasher-Feel«.

Auch erstmals hierzulande zu sehen: das Drama »Brawl in Cell Block 99«, der neue Gewaltexzess des Ausnahmedrehbuchschreibers und -regietalents S. Craig Zahler, ein Bewunderer des Werks des Genre-Meisters John Carpenter und wie Quentin Tarantino großer Freund des Grindhouse-Kinos der 70er Jahre. »Das ist nichts für jeden«, warnte der britische »Independent« bereits vorsorglich in seiner Rezension. Wer mal gucken will: Zahlers grandioser, ungewöhnlicher, ebenso opulent bebilderter wie gemächlich erzählter pessimistischer Horror-Western »Bone Tomahawk« (2015) ist derzeit beim Streamingdienst Netflix zu sehen.

Nicht wenige der neuesten Horror-, SF- und Thrillerproduktionen thematisieren Probleme unserer gegenwärtigen Gesellschaften: den sich mehr und mehr beschleunigenden und sämtliche Lebensbereiche erfassenden Kapitalismus, Hass und Vorurteile, den sozialen Niedergang eines wachsenden Bevölkerungsanteils, die Macht der Konzerne, Umweltverseuchung, Gentrifizierung, patriarchale Strukturen. Selbst dem zu Tode erzählten Zombie-Genre lässt sich, wie es scheint, Neues abgewinnen. Der irische Thriller »The Cured« etwa erzählt vom Zustand der Gesellschaft nach der Seuchenkatastrophe: Dank eines gefundenen Heilmittels konnten schwer Erkrankte - also Zombies - kuriert und wieder zu Menschen gemacht werden, die in die Gesellschaft und in ihre Familien reintegriert werden sollen. Ein Zombiefilm, der Fragen wie die nach Schuld, gesellschaftlicher Verantwortung und dem Umgang mit Minderheiten und sozialen Außenseitern stellt? Der verstorbene Ex-Bundespräsident Johannes Rau (»Versöhnen statt spalten«) wäre gewiss angetan.

Ansonsten haben wir’s an diesem Wochenende wie stets mit vielen der klassischen Horrormotive und -settings zu tun, die in neuen Varianten durchexerziert werden: der nicht gerade mit Unmengen an Grips gesegnete Teenager, der sich mit Okkultem beschäftigt (»Pyewacket«), der dunkle Wald (»Ruin me«) bzw. das einsame Haus im Wald (»Pyewacket«), lange Flure in dunklen Kellern, psychopathische Serienkiller (»Control«), der eskalierende religiöse Fundamentalismus stumpfsinniger Dorfbevölkerung (»Hagazussa: A Heathen’s Curse«), der unversehens von jeder Kommunikation mit der Zivilisation abgeschnittene Verfolgte (»Downrange«), und natürlich, nicht zu vergessen, die ausgeklügelte Rache der wahlweise gedemütigten/ausgebeuteten/vergewaltigten Frau, deren zwingende Folge logischerweise das Fließen von Unmengen an Blut ist (»Revenge«).

Fantasy Filmfest Nights: 5./6. Mai, Cinestar im Sony-Center, Potsdamer Straße 4, täglich ab 13 Uhr

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