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Digitale Tagelöhner

  • Lesedauer: 2 Min.

Der Auftritt von zwei ehemaligen Deliveroo-Fahrradkurieren aus Köln gehörte zu den wohl emotionalsten Momenten des DGB-Bundeskongresses, der in dieser Woche in Berlin die Leitlinien für die kommenden vier Jahre verabschiedet hat. Die beiden Vorkämpfer für Arbeitnehmerrechte wurden von den rund 400 Delegierten herzlich gefeiert, Gewerkschaften unterstützen die Auseinandersetzung um die Gründung eines Betriebsrats bereits seit Längerem direkt vor Ort.

Der Kampf bei Deliveroo hat Modellcharakter, denn die Kurierfahrer stehen exemplarisch für all die neuen Beschäftigungsformen, die die Digitalisierung hervorbringt und die Arbeitswelt umwälzen. Online-Handel, Dienstleistungsplattformen für Reinigungs-, Fahr- und Lieferdienste - angesichts der hier verbreiteten Arbeitsbedingungen fühlen sich viele Gewerkschafter an längst überwundene Ausbeutungsverhältnisse des 19. Jahrhunderts erinnert.

Viele der mehr als 80 Anträge des Gewerkschaftsgipfels kreisten um die Frage, wie sich unter diesen Bedingungen bisherige Arbeitsrechte und soziale Sicherheiten erhalten lassen. Auf der einen Seite wissen die Gewerkschaften, dass sie selbst Antworten finden müssen, wie sich diese Beschäftigten organisieren lassen - auf der anderen Seite erwarten sie Maßnahmen von der Politik, die die Rahmenbedingungen verbessern. Die Bundesregierung müsse das »digitale Tagelöhnertum« auf diesen Plattformen beenden, forderte der wiedergewählte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Betriebsräte würden sich leichter gründen lassen, wenn Arbeitsverträge nicht einfach so befristet werden könnten. Auch bei der Definition, was in der digitalen Welt ein Arbeitnehmer und was ein Arbeitgeber ist, soll die Politik tätig werden, um Geschäftsmodelle, die im Kern auf Scheinselbstständigkeit basieren, auszutrocknen.

Es wird nicht leicht, den digitalen Wandel in den nächsten vier Jahren im Sinne der Beschäftigten zu wenden. Die Erfolge der Arbeiterbewegung bei der Humanisierung der ersten industriellen Revolution lassen Hoffmann aber durchaus mit einigem Recht selbstbewusst verkünden, man werde auch den digitalen Kapitalismus »zivilisieren«. inw

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