Parteispenden als Superwaffe

Neue Vorwürfe gegen Heckler & Koch, einem umtriebigen Rüstungsbetrieb im Wahlkreis von Merkels rechter Hand

  • René Heilig
  • Lesedauer: 4 Min.

Reden wir über Volker Kauder (CDU). Immer wenn Bundestagswahlen anstehen, dann ist ein Gutteil der Neckarufer mit seinen Plakaten zugeklebt. Selbst Teile des Schwarzwaldes werden zur Kauder-Galerie, denn: Rottweil-Tuttlingen ist der Wahlkreis des als durchsetzungsstark bekannten Bundestagsabgeordneten. Kaum denkbar, dass dem erfahrenen Politiker etwas von Relevanz entgeht - weder regional noch bundespolitisch.

Seit 1990 ist Kauder im Bundestag. Er stieg auf zum Ersten Parlamentarischen Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion, 2005 wurde er - als rechte Hand von Kanzlerin und Parteivorsitzenden Angela Merkel - Chef der Unionsfraktion. So lange wie er hat noch keiner vor ihm regiert.

In Kauders Wahlkreis liegt der Ort Oberndorf. Trotz permanenter Skandale genießt hier Heckler & Koch noch Ansehen. Logisch: Die Firma ist ein wichtiger Arbeitgeber als »weltweit führender Hersteller von Handfeuerwaffen mit festen Wurzeln am Standort Deutschland«. Produziert werden Pistolen, Maschinenpistolen, Sturmgewehre, Präzisionsgewehre, Maschinengewehre, Granatmaschinenwaffen - alles bestens geeignet zum Töten und Geld verdienen. Die Auftragsbücher sind derzeit voll wie selten. Kunden aus dem In- und Ausland stehen Schlange. Die Firma mit ihren Außenstellen in den USA, Großbritannien und Frankreich, die auch zahlreiche Lizenzen ins Ausland vergeben hat, produziert trotz zahlreicher Optimierungswellen am Rande der Kapazität. Gerade haben die Oberndörfer wieder mehrere Ausschreibungen gewonnen.

Heckler & Koch ist also in jeder Weise grenzenlos im Geschäft. Auch wider Recht und Gesetz. Gerade läuft ein Prozess in Stuttgart, bei dem die Staatsanwaltschaft - die man zum Jagen tragen musste - sechs ehemaligen Mitarbeitern der Rüstungsfirma mehr als ein Dutzend gewerbs- und bandenmäßige Verstöße gegen das Waffenkontrollgesetz vorwirft. Von 2006 bis 2009, so die Anklage, hätten die Beschuldigten fast 4500 Sturmgewehre sowie Maschinenpistolen, Munition und Zubehör im Wert von 4,1 Millionen Euro in mehrere sogenannte Unruhe-Regionen Mexikos geliefert. Was eindeutig verboten war, denn in den betreffenden Bundesstaaten Jalisco, Chiapas, Guerrero und Chihuahua tobt der Drogenkrieg, hier lassen Polizei und mit ihr zum Teil verquickte bewaffnete Banden spurlos Menschen verschwinden. Die Angeklagten haben sich »nicht unerhebliche Einnahmequellen versprochen«.

Dass es überhaupt zum Verfahren kam, ist dem Rüstungsgegner Jürgen Grässlin aus Freiburg zu danken. Der hatte bei der Polizei Anzeige gegen Heckler & Koch erstattet, nachdem sich ein Firmenmitarbeiter vertrauensvoll an ihn gewandt hatte. Grässlins Anwalt Holger Rothbauer hat die Anzeige dann auf zuständige Beamte in den Bundesbehörden erweitert, denn nach seiner Ansicht haben Vertreter des Wirtschaftsministeriums und des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle mitgeholfen, die illegalen Exporte in Gang zu setzen und zu vertuschen. Doch die Staatsanwaltschaft sah das anders und blieb bei der Minimalanklage. Eigentlich hätten die zahlreichen Verfehlungen des Unternehmens für rechtsstaatlich gesonnene Politiker, zumal wenn sie Abgeordnete des Bundestages sind, genügen sollen, um die Waffenfirma höchst kritisch im Blick zu haben. Doch ungeniert suchte Heckler & Koch, Parteien und Bundestagsabgeordnete nachhaltig für die eigenen Geschäftsinteressen zu gewinnen. Das geht aus E-Mails des damaligen Geschäftsführers von Heckler & Koch Peter Beyerle - der zu den in Stuttgart angeklagten Managern gehört - hervor. Laut »Report Mainz« wollte man mit den »Spenden« die Ausfuhr weiterer Sturmgewehre nach Mexiko erreichen. Das ARD-Politik-Magazin beruft sich auf einen internen Prüfbericht, den Heckler & Koch 2011 bei dem Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG in Auftrag gegeben hatte. Demnach soll der CDU-Kreisverband Rottweil 10.000 Euro bekommen haben.

Das prominenteste Mitglied dieses Kreisverbandes heißt: Volker Kauder. Wusste der nichts davon? Kaum denkbar, denn drei Wochen nach der Überweisung soll sich der damalige H&K-Geschäftsführer schriftlich an Kauder selbst gewandt und darum gebeten haben, der Fraktionschef möge ihn bei der Erteilung einer lang erwarteten Exportgenehmigung nach Mexiko unterstützen. Über die Genehmigungen zum Rüstungsexport entscheidet das Bundeswirtschaftsministerium. In besonders kritischen Fragen hat der sogenannte Bundessicherheitsrat das letzte Wort.

Schon vor den jüngsten »Report«-Mutmaßungen war bekannt, dass das Unternehmen zwischen 2009 und 2011 - sauber gestückelt - 20.000 Euro an den FDP Kreisverband Tuttlingen überwies. Dem gehörte ein Mann namens Ernst Burgbacher an. Er war parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und diente unter den FDP-Ministern Rainer Brüderle und Philipp Rösler. Ein Realist, wer Böses dabei denkt. Nun kam zusätzlich heraus, dass Heckler & Koch offenbar zusätzlich zwei mit Rüstungsthemen befasste Bundestagsabgeordnete der Liberalen in ihr Herz geschlossen hat. Man bot jeweils 5000 Euro an und überwies sie auf Konten der Partei.

Dass die Beziehungen von H&K auch bis in die Bundeswehr hinein sehr eng sind, zeigte sich 2015. Über einen zuständigen Abteilungsleiter des Verteidigungsministeriums wollte die Unternehmensführung den militärischen Geheimdienst MAD gegen Journalisten in Stellung bringen, die allzu kritisch über Probleme mit der Standardwaffe G36 - immerhin 170.000 Stück, gebaut bei Heckler & Koch - recherchierten.

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