Rauchende Trümmer

Die Oscar-Straus-Operette »Der tapfere Soldat« am Münchner Gärtnerplatztheater

  • Roberto Becker
  • Lesedauer: 3 Min.

Peter Konwitschny und die Oper, das ist eine Erfolgsgeschichte. Von den gewitzten subversiven Anfangsjahren in der DDR über die große Provokation und Neudeutung bis hin zum Altmeister. Der kann sich längst aussuchen, was er machen will. Dabei lässt er in jüngerer Zeit die großen Repertoirestücke eher links liegen und nimmt sich stattdessen lieber Vernachlässigtes, Interessantes, Abseitiges vor. Rihms »Eroberung von Mexico«, Schoecks »Penthesilea«, Cherubinis »Medea«, Zimmermanns »Soldaten« - so was in der Art. Da die exklusive Bindung an ein Haus nicht (mehr) seine Sache ist, kommen auch kleinere Theater (wie Heidelberg oder im nächsten Jahr Halle) in den Genuss, ihr Potenzial an dem charismatischen Regisseur zu messen. So wie jetzt das Gärtnerplatztheater in München mit der Oscar-Straus-Operette »Der tapfere Soldat«.

Konwitschny und die Operette, das ist ein kurzes, aber prägnantes Kapitel für sich. Mit seiner in die Entstehungszeit versetzten »Csárdásfürstin« sorgte er an der Semperoper 1999 für einen handfesten Skandal. Intendanten-Eingriffe und deren juristische Folgen brachten seiner Inszenierung immerhin die amtliche Anerkennung als eigenständiges Kunstwerk ein. Er hat danach nur noch vor elf Jahren »Das Land des Lächelns« an der Komischen Oper inszeniert.

Im Falle von Oscar Straus’ (1870 - 1954) flottem, gleichwohl kaum gespieltem Schmankerl »Der tapfere Soldat« (1908) schießt das Gärtnerplatztheater also mit der großen Regiekanone auf einen - nun ja - Operettenspatzen. Auf der karg stilisierten Bühne von Johannes Leiacker (einer der wenigen Ausstatter, mit dem Konwitschny seit Langem verbunden ist) schlagen im dritten Akt gleichwohl nicht nur die Comic-Bomben vom Zwischenvorhang, sondern sogar Raketen in die Bilderbuchidylle ein, bleiben stecken, rauchen verdächtig, aber explodieren dann doch nicht. Die eingängige, beherzt alles Militärische parodierende Musik behält die Oberhand, auch wenn die Trümmer rauchen.

Die Heldin des Stückes, Nadina (Sophie Mitterhuber), mutiert von der Braut zur Lazarett-Krankenschwester und macht sich beim Happy End einfach dünne. Zunächst aber ist diese höhere Tochter des bulgarischen Obersts Kasimir Popoff (Hans Göring) die Braut von Major Alexius Spiridoff (der junge Maximilian Mayer): schneidig und gut aussehend, aber etwas doof. Er reitet mit gezogenem Säbel auf die serbischen Kanonen los. Hat auch noch Glück in der Schlacht, weil die Serben die Munition vergessen haben - Operettenbalkanien lässt grüßen. Bei seiner Braut kann er mit der Heldentat dennoch nicht landen. Bei ihr landet nämlich der in serbischen Diensten befindliche Schweizer (Bumerli) mit Vorliebe und Fallschirm auf dem Balkon ihres Schlafzimmers, lässt sich von Nadina, ihrer resoluten Mama (Ann Katrin-Naidu) und der jungen Verwandten Mascha (Jasmina Sakr) retten, verrät den tatsächlichen Schlachtverlauf und hat das Glück, dass es zwischen Nadina und ihm funkt. Bumerli hantiert zwar immer mit einer Packung Toblerone herum, ist aber eigentlich einer der reichsten Waffenhändler der Welt. Wie die (Operetten-)Schweizer eben so sind. Daniel Prohaska macht das sehr dezent, ohne seinen Bumerli allzu sehr zu verschweizern.

Überhaupt sind sie ziemlich gut, wenn sie reden. Und auch wenn sie singen. Obwohl da der Regisseur und sein Dirigent Anthony Bramall wohl noch etwas mehr von der Wortverständlichkeit halten, als im Saal (ohne Übertitel) ankommt.

Aber der Plot, den die Librettisten Rudolf Bernauer und Leopold Jacobson aus Motiven von Bernhard Shaws »Helden« gebastelt haben, ist trotz der eingebauten hanebüchenen Zufälle so übersichtlich, dass man den Faden nicht verliert.

Konwitschny langt zu, nimmt das Wort vom Totlachen und den militärischen Hintergrund der Komödie und ihre parodierende Absicht zwar ernst, aber nicht zu ernst. Er zitiert Bilder (sogar die Krücken aus seiner »Csárdásfürstin« kommen vor), doch er erweist sich allemal als Regisseur, der im Komischen das Tragische mitdenkt. Und der das Komödiantische beherrscht.

Nächste Vorstellung am 23. Juni

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal