Kippa-Urteil ist ein »schlechter Witz«

  • Jérôme Lombard
  • Lesedauer: 2 Min.

Der Antisemitismusbeauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, Sigmount Königsberg, hat das Urteil gegen einen 19-Jährigen wegen eines antisemitischen Übergriffs auf zwei Kippa tragende Männer als »schlechten Witz« bezeichnet. »Ich hätte erwartet, dass das Gericht Erwachsenenstrafrecht anwendet und eine mehrmonatige Haftstrafe ausspricht«, sagte Königsberg dem »nd«. In jedem Fall hätte er sich ein stärkeres Signal des Rechtsstaats gewünscht. »Ich fürchte, dass manche dieses allzu milde Urteil als Freibrief ansehen, um Hatz auf Juden zu machen«, sagte Königsberg. Der syrische Staatsbürger Knaan S. war am Montag vor dem Jugendschöffengericht am Amtsgericht Tiergarten zu vier Wochen Arrest und einem Besuch in der Gedenkstätte Haus der Wannseekonferenz verurteilt worden. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte im April in Prenzlauer Berg einen Israeli und einen Deutsch-Marokkaner wegen ihrer Kippa zunächst antisemitisch beschimpft und im Anschluss auf den Israeli mit seinem Gürtel eingeschlagen hatte.

Das Gericht verurteilte den Angeklagten nach zwei Prozesstagen wegen gefährlicher Körperverletzung und Beleidigung nach Jugendstrafrecht. Wäre Knaan S. gemäß Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden, hätte ihm eine neunmonatige Freiheitsstrafe ohne Bewährung gedroht. Wegen der Untersuchungshaft gilt die Arreststrafe bereits als verbüßt. Allerdings wird S. ein Jahr lang unter Erziehungsaufsicht gestellt.

Mike Samuel Delberg, Repräsentant der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, zeigte sich mit Blick auf das Urteil enttäuscht. »Das erhoffte Zeichen wurde nicht gesetzt«, sagte Delberg gegenüber »nd«. Wichtig sei allerdings, dass das Gericht den antisemitischen Charakter der Tat anerkannt habe.

Der Staatsanwalt hatte in seinem Plädoyer von Hasskriminalität gesprochen. Der Angeklagte habe die beiden Männer wegen ihrer Kippa für Juden gehalten. Es sei ihm alleinig darum gegangen, zu beleidigen und zu schlagen.

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