Journalistisch gegen Blendgranaten

Gewerkschafts- und Bewegungsredakteurin Ines Wallrodt berichtet viel über Kämpfe

5. April 2009: Tausende demonstrieren gegen den NATO-Gipfel in Straßburg. Die Blockadeaktion an und auf der Europabrücke läuft aus dem Ruder, als die französische Polizei mit Gummigeschossen, Tränengas und sogar Blendgranaten um sich schießt. Das Ergebnis sind Dutzende Verletzte, ein brennender Supermarkt, entglaste Bushaltestellen. Mitten im Getümmel: nd-Redakteurin Ines Wallrodt. »Ich gehe lieber raus, sitze viel zu viel im Büro«, sagt sie. Gerade bei Ereignissen, die viele andere Zeitungen allein aus Polizeisicht darstellen, sei es »wichtig, die Sachen mit eigenen Augen zu sehen«.

In solchen Situationen wie an der Straßburger Europabrücke den Überblick zu behalten, ist genauso schwierig, wie nach einem solchen Ereignis journalistische Distanz und Professionalität zu wahren. Doch schrieb sie über Polizeigewalt genauso wie über zu heftige Gegengewalt, die letztlich der Sache der Kriegsgegner schadete, nicht ohne zu verschweigen, dass sie mit den Protestinhalten übereinstimmt. Heute sagt Ines, nicht das Studium der Germanistik, Politikwissenschaft und Publizistik hat ihr für die journalistische Arbeit am meisten gebracht, sondern ihr langjähriges politisches Engagement und das dabei erworbene Einschätzungsvermögen. Vor der nd-Zeit war sie bei den JungdemokratInnen/Junge Linke, einer parteiunabhängigen Jugendorganisation. Sie engagierte sich im Kampf für sichere Rente, eine Bürgerversicherung und gegen Hartz IV. Sie beteiligte sich zudem an Aktionen des zivilen Ungehorsams, etwa einer Gelöbnisstörung bei der Vereidigung von Rekruten. Und so war es fast folgerichtig, dass die gebürtige Berlinerin, aufgewachsen in Karlshorst, in die Schule gegangen in Friedrichshagen, nach zwei Jahren Volontariat 2008 nd-Redakteurin für linke Bewegungen, für Grundrechte und Justizthemen im Allgemeinen wurde. Nach drei zwischenzeitlichen Auszeiten für Weiterbildung sowie nach der Geburt ihrer beiden Töchter ist sie seit 2016 Redakteurin für Gewerkschaften und Arbeitsmarkt. Sie arbeitet in Teilzeit, um genug Zeit für ihre Familie und auch einen gemeinschaftlich genutzten Kleingarten bei Werder zu haben. Als Gewerkschaftsredakteurin hat die 41-Jährige mit deutlich weniger gefährlichen Protestaktionen zu tun als früher, aber weiter mi wichtigen Kämpfen. »Ich bin nah dran an der Kernauseinandersetzung Kapital - Arbeit«, erläutert sie. Es sei erfreulich, wenn es gelingt, »der Gegenseite etwas abzutrotzen«. Allzu oft bleibt ihr aber nur, darüber aufzuklären, was sich Unternehmer von den Beschäftigten aneignen, was anderswo gerne kaschiert wird. Heute geht Ines journalistisch also mehr im übertragenen Sinne gegen Blendgranaten vor. Doch eines hat sich nicht geändert - trotz Zeitdrucks möchte sie nicht allein vom Schreibtisch aus recherchieren: »Es ist hilfreich beim Schreiben, wenn man den Artikel mit Leben füllen kann.«

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