»Ein menschliches Zeichen aus der sächsischen Provinz«

Am Wochenende finden wieder Proteste gegen die europäische Asylpolitik statt - nicht nur in den Großstädten

  • Niklas Franzen
  • Lesedauer: 3 Min.

Berlin, Hamburg, München: Auch in den kommenden Tagen sind in vielen Städten wieder Demonstration und Aktionen gegen die europäische Asylpolitik geplant. Doch nicht nur in den urbanen Zentren sind Menschen nicht einverstanden mit der Politik von Seehofer, Salvini und Orban. Auch in Mittelsachsen regt sich Protest.

»Ich halte die Verrohung unserer Gesellschaft nicht mehr aus. Wenn die Frage, ob ertrinkenden Menschen geholfen werden muss, diskutabel erscheint, ist es höchste Zeit laut zu widersprechen«, sagt Paul Kaluza. »Deshalb habe ich mir gedacht, dass ich etwas tun muss.« Und das tat er. Der 23-Jährige meldete im sächsischen Freiberg eine Demonstration unter dem Motto »Seebrücke - Schafft sichere Häfen« an. Kaluza studiert Umweltingenieurwesen und ist aktiv bei der Grünen Jugend sowie beim alternativen Kulturverein Junges Netzwerk Freiberg. Er meint: »Wir wollen ein menschliches Zeichen aus der sächsischen Provinz senden.«

Freiberg liegt in Mittelsachsen, hat 40.000 Einwohner*innen, eine Universität und auch eine kleine Studierendenszene. Knapp 2000 Geflüchtete leben hier, es gibt mehrere zivilgesellschaftliche Initiativen und Projekte. Das Zusammenleben funktioniere gut, meint Kaluza. Dennoch: Die AfD ist stark, es gibt organisierte Nazis. »Es ist nicht immer leicht für Linke wie mich«. Kaluzas Mitbewohner, der aus Syrien stammt, sei bereits von Rechten angegriffen worden. So »schlimm wie woanders in Sachsen« sei es aber nicht.

Die örtliche Politik macht es den Linken nicht leicht. Der Stadtrat beantragte Anfang der Jahres einen Zuzugstopp für Geflüchtete. Die Rechnung für vermeintlich durch Asylsuchende entstandene Kosten schickte SPD-Bürgermeister Sven Krüger direkt an das Bundeskanzleramt. »Populismus« nennt Kaluza das. Mit einem satirischen Plakat protestierte er vor dem Rathaus gegen den Bürgermeister. Die Konsequenz: Eine Anzeige wegen übler Nachrede und Verleumdung gegen Personen des politischen Lebens.

Das hält Kaluza aber nicht davon ab, sich weiter zu engagieren. Und was ist man Samstag geplant? Dann wollen die Aktivist*innen durch die Straßen der Universitätsstadt ziehen. Ein paar Rettungswesten will Kaluza bis dahin besorgen. Wie auch in anderen Städten sollen sich die Demonstrant*innen orange kleiden. Denn: Für die Seebrücke-Aktivist*innen stehe die Farbe symbolisch für die Seenotrettung. Problem könnte werden, einen Lautsprecherwagen zu organisieren. Kaluza meint: »Das ist gar nicht so einfach hier.«

Mit Pöbeleien von Rechten müsse man rechnen. Aber: »Es gibt auch hier Potenzial und viele Menschen, die nicht mit den Asylrechtsverschärfungen einverstanden sind«. So hätten sich einige Bewohner*innen im Vorfeld solidarisch mit der Demonstration erklärt, in mehreren Schaufenstern hängen nun die Poster der Aktivist*innen. Kaluza meint: »Es ist wichtig, die Straße nicht der AfD zu überlassen.«

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