»Es ist nicht akzeptabel«

Gewerkschaft ruft Fiat-Mitarbeiter zu Streiks auf - wegen des Millionentransfers von Ronaldo zu Juventus Turin

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 3 Min.

»Angesichts dieser Ungleichheit muss man einfach streiken!«. Mit diesen Worten beginnt ein Aufruf der Basisgewerkschaft USB im Fiat-Werk im süditalienischen Melfi. Die Belegschaft wird ihre Arbeit von Sonntag 22 Uhr bis Dienstag 6 Uhr niederlegen. Die Ungerechtigkeit, von der hier die Rede ist, betrifft die Tatsache, dass der Fußballclub Juventus Turin den Ausnahmespieler Cristiano Ronaldo für eine Ablösesumme von 117 Millionen Euro vom spanischen Klub Real Madrid gekauft hat. Tatsächlich sind Juventus und Fiat nicht (mehr) ein und das Gleiche; aber beide Aktiengesellschaften haben denselben Mehrheitsaktionär, die Investmentgesellschaft Exor.

»Es ist nicht akzeptabel«, so heißt es in dem Kommuniqué weiter, »dass man seit Jahren enorme wirtschaftliche Opfer fordert und gleichzeitig Hunderte Millionen Euro für den Kauf eines Fußballspielers ausgibt«. Tatsächlich sieht es im Fiat-Werk in Melfi (östlich von Neapel) nicht gut aus. Hier werden der SUV Jeep Renegade und der 500X produziert, während der Fiat Punto jetzt ausläuft, ohne dass ein neues Modell hinzukommt. Nachdem im vergangenen Mai der Industrieplan bis 2022 vorgestellt wurde, sieht es immer mehr so aus, als wolle FCA (die italo-amerikanische Gruppe, zu der FIAT gehört), immer weniger auf die italienischen Marken der Gruppe setzen.

Mit dem Wegfall des Punto gibt es in Melfi einen »Überschuss« von 1640 Arbeitskräften. Die Gewerkschaften haben deshalb einen Solidaritätsvertrag ausgehandelt, aufgrund dessen im Rotationsverfahren 5857 Arbeiter weniger Stunden arbeiten und dementsprechend weniger verdienen werden. »Und während die Arbeiter und ihre Familien den Gürtel immer enger schnallen müssen, beschließt das Unternehmen, enorm viel Geld für einen einzigen Arbeitnehmer auszugeben! Ist das etwa gerecht?«, heißt es im Aufruf. Und weiter: »Wir alle dienen dem gleichen Boss aber in einem sozial so schwierigen Moment kann und darf man diese ungleiche Behandlung nicht akzeptieren. Die Eigentümer sollten in neue Automodelle investieren, die die Zukunft von Tausenden von Menschen sichern, anstatt nur einen reich zu machen«. Der Appell schließt so: »Wenn das nicht geschieht, dann nur, weil man Spiel und Unterhaltung über alles andere stellt«.

Obwohl die Einzelheiten des Vertrags mit Cristiano Ronaldo noch nicht alle bekannt sind, geht man davon aus, dass der Spieler bis 2022 30 Millionen Euro pro Saison verdienen wird. Wenn er sich aber für den italienischen Klub entschieden hat, so sagt man, soll das ganz andere Gründe haben. Wie man weiß, wurde er in Spanien bereits zu zwei Jahren Haft und eine Strafzahlung von 18,8 Millionen Euro wegen Steuerhinterziehung verurteilt. In Italien wird er es einfacher haben: Im letzten Jahr hat das Parlament in Rom ein Gesetz verabschiedet, das enorme Steuervergünstigungen für Gelder vorsieht, die im Ausland verdient werden. Die Zeitschrift »Forbes« hat ausgerechnet, dass Ronaldo im letzten Jahr außervertraglich 54 Millionen Euro verdient hat: darauf müsste er in Italien jetzt eine Pauschalsumme von nur 100 000 Euro jährlich zahlen. Für den Fußballer ist das sicherlich kein schlechter Anreiz, um seinen Arbeitsplatz nach Turin zu verlegen. Dem italienischen Steuerzahler (und auch den Arbeitern im Fiat-Werk in Melfi) gehen so allerdings etliche Millionen verloren.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Linken, unabhängigen Journalismus stärken!

Mehr und mehr Menschen lesen digital und sehr gern kostenfrei. Wir stehen mit unserem freiwilligen Bezahlmodell dafür ein, dass uns auch diejenigen lesen können, deren Einkommen für ein Abonnement nicht ausreicht. Damit wir weiterhin Journalismus mit dem Anspruch machen können, marginalisierte Stimmen zu Wort kommen zu lassen, Themen zu recherchieren, die in den großen bürgerlichen Medien nicht vor- oder zu kurz kommen, und aktuelle Themen aus linker Perspektive zu beleuchten, brauchen wir eure Unterstützung.

Hilf mit bei einer solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl.

Unterstützen über:
  • PayPal