Nachwuchs für den Jenaer Leuchtturm

Thüringen: Die Ernst-Abbe-Hochschule bekommt einen Masterstudiengang »E-Commerce« - der Bedarf ist enorm

  • Doris Weilandt, Jena
  • Lesedauer: 3 Min.

Es ist viele Jahre her, dass die Erfolge des ostdeutschen Software-Unternehmens Intershop weltweit für Schlagzeilen sorgten. Dann platzte im Jahr 2000 die sogenannte Dotcom-Blase und auch die zu hoch bewertete Jenaer Firma stürzte ab. Danach kämpfte sich Intershop jahrelang durch die Mühen der Ebene, blieb aber am Markt und schreibt inzwischen wieder schwarze Zahlen.

»Das Schöne ist, dass sich um die Keimzelle Intershop so viel entwickelt hat«, sagt Reinhard Hoffmann, Geschäftsführer der TowerConsult GmbH und früherer Personalchef bei Intershop. Hoffmann gehört zu den Initiatoren und Stiftern des Masterstudiengangs »E-Commerce«, der ab dem Sommersemester 2019 an der Ernst-Abbe-Hochschule (EAH) in Jena angeboten werden soll. Mit dem Studiengang wird das IT-Angebot an der EAH weiter ausgebaut. Die Stifter des Masterstudienganges garantieren praxisnahes Wissen und Ausbildung in ihren Unternehmen.

Hoffmann geht es aber um mehr als um die Generierung künftiger Mitarbeiter. Er will Perspektiven schaffen: »Diese Spezialisierung auf dem Gebiet E-Commerce ist strategisch aufgebaut. Es werden Fachkräfte ausgebildet, die dazu befähigt sind, später in Entscheidungspositionen zu sitzen, die selbst Unternehmen gründen und ihr Hauptquartier hier aufbauen. Das fehlt bisher im Osten.« Zu den Stiftern gehört die ganze Bandbreite der Jenaer Internet-Unternehmen, das Thüringer Ministerium für Wirtschaft, Wissenschaft und Digitale Gesellschaft, die STIFT Thüringen, sowie die beiden Intershop-Gründer Stephan Schambach und Karsten Schneider.

Bereits vor Jahren hat die Intershop-Stiftung den Modellstudiengang »Internet Business Engineering« an der Fachhochschule finanziert. Dahinter stand ein Gedanke, den Ernst Abbe (1840-1905), einer der Gründerväter in der Jenaer Industriegeschichte, um 1889 mit der Zeiss-Stiftung verfolgte. Neben wirtschaftlichen, sozialen und gemeinnützigen Projekten der Universität ging es ihm um die Förderung naturwissenschaftlicher und mathematischer Forschung und Lehre. Professoren- und Dozentengehälter wurden ebenso finanziert wie der Bau eines Lehr- und Forschungsgebäudes - des Abbeanums - und einer Universitätssternwarte.

Durch die durch die Zeiss-Stiftung kontinuierlich gesicherte Finanzierung erlebte die Universität einen Aufschwung, den ihr die zuständigen Fürstentümer nicht geben konnten - und auch nicht zu geben bereit waren. Im Gefolge konnte Jena seinen Ruf als Zentrum der Optik festigen und in die Zukunft tragen.

In der Tradition von Ernst Abbe sehen sich auch die Stifter der »E-Commerce«-Professur, der dritten im diesem Bereich. Hochschulrektor Steffen Teichert kann sich auf die Branche verlassen: »Die EAH profitiert durch die Unterstützung der Stifter bei der Professur für das Bachelorstudium ›E-Commerce‹ bereits seit dem Jahr 2013.«

Dass Jena sich zu einem Zentrum der Internet-Wirtschaft entwickelt hat, ist im Stadtbild unübersehbar. Der Jentower, mit fast 150 Metern das höchste Bürogebäude im Osten, trägt die Leuchtschrift von Intershop. Das Unternehmen baut inzwischen an einem anderen Standort, aber im Turm sitzen inzwischen zahlreiche E-Commerce-Unternehmen, von denen sich ein Teil zu einer Genossenschaft zusammengeschlossen hat. Ein weiterer neuer Gründercampus heißt »Paradies«. Dorthin ist Hoffmann mit seiner Firma TowerConsult umgezogen.

Die Jenaer Internet-Branche beschäftigt derzeit rund 3500 Mitarbeiter. Der Bedarf an den entsprechenden Fachleuten steigt allein im Jenaer Raum jährlich um über zehn Prozent - bereits jetzt fehlen dort fast 1000 Arbeitskräfte. Die Unternehmen der Branche müssen die benötigten Mitarbeiter in anderen Bereichen anwerben, denn ausgebildet werden in Jena gerade einmal 150 IT-Experten. »Das Personal für die Digitalisierung entscheidet über die Zukunftsfähigkeit einer Region«, konstatiert Hoffmann. Viele Studierende kommen aus Indien und China. Doch es gebe, sagt Hoffmann, zu wenige Bemühungen, in osteuropäischen Staaten um Nachwuchs zu werben.

Hoffmann hat bereits Strategien, wie der Leuchtturm Jena weiterentwickelt werden kann. Um das naturwissenschaftliche Interesse bei Schülern zu wecken, arbeitet er mit am Aufbau von wissenschaftlich-technischen Lernorten im Verein »witelo«, einem Kooperationsverbund zur Förderung der wissenschaftlichen und technischen Bildung.

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