Bedrohliche Auswirkungen

Unter Firmen ist die Verunsicherung angesichts der Iran-Sanktionen groß. Unabsehbar sind die politischen Folgen

  • Oliver Eberhardt, Kairo
  • Lesedauer: 4 Min.

Eine Botschaft in Kairo hat Iran nicht. Offiziell, weil Ägypten Ende der 70er Jahre einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen hat. Gerade deshalb fällt die große Zahl an iranischen Diplomaten und Geschäftsleuten auf, die in diesen Tagen in den teureren Hotels der ägyptischen Hauptstadt abgestiegen sind. »Hier wird zurzeit viel verhandelt,« sagt ein französischer Diplomat. »Die Iraner versuchen, zu retten, was zu retten ist.«

Denn am Montag treten die US-Sanktionen gegen Iran wieder in Kraft, nachdem US-Präsident Donald Trump Anfang Mai dem Kongress nicht bestätigen wollte, dass sich die Islamische Republik an das 2015 unterzeichnete Atom-Abkommen mit den USA, der Europäischen Union, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, China und Russland hält. Im Mai 2015, also noch vor Unterzeichnung des Abkommens im Juli, hatte der US-Kongress dem Präsidenten vorgeschrieben, dass er in regelmäßigen Abständen die Einhaltung des Abkommens durch Iran bestätigen muss. Geschieht dies nicht, leben die US-Sanktionen drei Monate nach der nicht erfolgten Bestätigung wieder auf.

Und genau dies geschieht nun : Ein umfangreicher Katalog an Beschränkungen tritt wieder in Kraft. Daneben hatte die US-Regierung auch nach der Unterzeichnung des Abkommens Sanktionen gegen Personen, Unternehmen und staatliche Institutionen verhängt, die nicht mit dem iranischen Atomprogramm, sondern mit Terrorismus-Vorwürfen zusammenhängen.

Auf den ersten Blick scheint die Wiedereinführung der US-Sanktionen nun wie die Entscheidung von nur einem Beteiligten am Abkommen, während alle andere Unterzeichner sowie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) der Ansicht sind, dass Iran seine Verpflichtungen aus dem Abkommen einhält.

Dennoch wirken die Auswirkungen der Trump-Entscheidung weit über die Grenzen der USA hinaus: Denn offen drohen Vertreter der US-Regierung nun auch nicht-amerikanischen Unternehmen und ausländischen Regierungen, die Geschäfte mit Iran machen, mit Konsequenzen in den USA. Die Verunsicherung ist deshalb groß: Viele Unternehmen sind auch in den USA aktiv, unterhalten dort Niederlassungen. Und müssen deshalb dort mit empfindlichen Geldstrafen rechnen.

Das Problem dabei ist, dass die US-Vorschriften so vage gehalten sind, dass selbst Sprecher des für die Einhaltung der Sanktionen zuständigen Office for Foreign Asset Control (OFAC) nicht genau sagen können, was denn nun einem ausländischen Unternehmen mit Niederlassung in den USA, das Geschäfte mit iranischen Unternehmen betreibt, genau drohen würde. Dies werde »im Einzelfall« entschieden, heißt es.

Und so hat eine ganze Reihe von Unternehmen, darunter Konzerne wie der französische Autobauer PSA (Peugeot, Citroen) den vollständigen Rückzug beschlossen. Die Flugzeughersteller Airbus und ATR, die Milliarden-Verträge mit der iranischen Regierung geschlossen hatten, verhandeln derweil mit Unterstützung der französischen Regierung über eine Ausnahmegenehmigung der US-Regierung.

ATR sollte bereits in diesen Tagen erste Flugzeuge ausliefern. Betroffen sind aber nicht nur die Unternehmen selbst, sondern auch ihre Zulieferer: Oft waren Aufträge bereits erteilt, ein finanziell folgenloser Rückzug aus den Iran-Geschäften ist für die meisten Unternehmen nicht möglich.

Noch sehr viel bedrohlicher sind allerdings die politischen Auswirkungen der Trump-Entscheidung: Medien in Oman und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) berichten, dass iranische Kriegsschiffe in den Golf ausgelaufen sind. Die iranische Nachrichtenagentur IRNA meldete, »die Streitkräfte bereiten sich auf ein umfassendes Manöver vor«.

Gleichzeitig drohte der iranische Präsident Hassan Ruhani mit einer Schließung der Straße von Hormuz für Schiffe aus »Ländern, die dem Iran feindlich gegenüberstehen«. Die Straße von Hormuz ist eine Meerenge zwischen Golf und indischem Ozean, durch die nach Angaben der Weltbank ein Viertel des weltweiten Öl-Bedarfs geliefert wird. Die Schifffahrtsroute führt zum Teil durch iranische Hoheitsgewässer.

In der Vergangenheit hatte die iranische Regierung stets die Schließung für den Fall angedroht, dass versucht wird, Ölexporte zu verhindern. Nun jedoch droht man grundsätzlich mit einer Schließung, wenn man auf Grund der Sanktionen keine Abnehmer mehr findet.

Gleichzeitig befürchten vor allem Saudi-Arabien und Israel, dass Iran in Jemen militärische Basen einrichten könnte, um von dort aus das Bab al Mandab zu blockieren: Durch diese Meerenge führt die Route zum Suez-Kanal und zum israelischen Hafen Eilat. Würden beide Meerengen blockiert, wären fast alle ölexportierenden arabischen Staaten vom Seeweg abgeschnitten, und Israel die Route nach Osten versperrt.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu und sein Verteidigungsminister Avigdor Liebermann drohten deshalb nun mit einer militärischen Intervention am Bab al Mandab. Die saudische Luftwaffe hat derweil ihre Luftangriffe auf die bisher von den Huthi-Milizen kontrollierte Provinz Hodeidah wieder aufgenommen.

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