Von Ostasien nach Europa

Uwe Hoering liefert erhellende Einsichten in Chinas Entwicklungsmodell der Neuen Seidenstraßen

  • Tobias Lambert
  • Lesedauer: 3 Min.

Es sind ambitionierte Pläne. Mit umfangreichen Investitionen in Infrastruktur zu Land wie zu Wasser will China »Neue Seidenstraßen« schaffen und dem Welthandel seinen Stempel aufdrücken. Seit 2013 treibt die chinesische Regierung unter Präsident Xi Jinping weltweit den Ausbau von Schienennetzen, Straßen und Häfen vor allem in Asien und Europa, aber auch Afrika voran.

Die in Europa wahrscheinlich bekanntesten Fälle sind die Übernahme des Hafens von Piräus durch die staatliche chinesische Reederei COSCO und der Ausbau der Bahnverbindungen von China bis nach Westeuropa.

Ganz bewusst knüpft das ostasiatische Land damit an seine einstige Bedeutung an, auch wenn der offizielle Name »Belt & Road Initiative« (Gürtel und Straße, B & R) nur wenig vom Glanz der historischen Seidenstraße einfängt. Zum ersten offiziellen Gipfeltreffen im Mai vergangenen Jahres reisten 30 Staats- und Regierungschefs an, die sich für ihre Länder vor allem wirtschaftlichen Aufschwung erhoffen. Dabei hat die Initiative bisher nur wenig Greifbares zu bieten. Vielmehr handele es sich um eine »Sammelbezeichnung für ein Konglomerat bereits bestehender, geplanter oder auch nur angedachter Vorhaben«, schreibt Uwe Hoering in seinem jüngst erschienenen Buch »Der lange Marsch 2.0«. Darin trägt der Asienexperte zusammen, was bisher über »Chinas Neue Seidenstraßen als Entwicklungsmodell« bekannt ist.

Für die chinesische Regierung geht es bei der Initiative um eine Art Gegenentwurf zum westlichen Entwicklungsdiskurs. Auf viele asiatische, afrikanische und osteuropäische Länder wirkt der chinesische Ansatz attraktiver als das westliche Versprechen von wirtschaftlicher Liberalisierung und Demokratie. Denn China stellt Aufschwung und Wohlstand durch proaktive staatliche Unterstützung in Aussicht, ohne sich dabei politisch in die inneren Angelegenheiten der einzelnen Staaten einzumischen. Andere Erklärungsansätze für die »Neuen Seidenstraßen« stellen hingegen die chinesischen Eigeninteressen an wirtschaftlicher Expansion sowie geopolitische und strategisch-militärische Intentionen in den Vordergrund. Doch unabhängig von der Frage, ob China mit den Projekten einen globalen Führungsanspruch geltend machen will oder nicht, stoßen die geplanten oder bereits getätigten Investitionen vielerorts auf Kritik und Widerstand. Den Fokus seines Buches legt Hoering denn auch auf die »möglichen Auswirkungen in den beteiligten Ländern und Regionen«, wie etwa Ressourcenkonflikte in Zentral- und Südostasien oder politische Spannungen mit Indien. Auch die Rolle Russlands, das die Seidenstraßen zwar unterstützt, aber offenkundig nicht ausreichend finanzielle Mittel für eigene Initiativen hat, wird beleuchtet. Am Schluss weist Hoering darauf hin, dass die Vorhaben auch in China bereits vorsichtig kritisiert werden, weil sie die Kapazitäten des Landes übersteigen könnten. Ein Scheitern der Seidenstraßen könnte nicht zuletzt für Präsident Xi Jinping gefährlich werden.

Auf gerade einmal 150 Seiten wagt der Autor einen thematischen wie regionalen Rundumschlag, der viele Facetten zwangsläufig nur anschneiden kann. Doch gelingt ihm eine exzellente Einführung in ein Thema, von dem es bisher nur wenig belastbare Zahlen gibt. In Zukunft werden sicherlich genauere Untersuchungen über die Folgen in einzelnen Regionen folgen.

Uwe Hoering: Der Lange Marsch 2.0. Chinas Neue Seidenstraßen als Entwicklungsmodell. In Kooperation mit der Stiftung Asienhaus, VSA-Verlag, Hamburg 2018, 160 Seiten, 14,80 Euro.

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