Staatsbankett für den Diktator

Nelli Tügel über den Besuch Recep Tayyip Erdoğans in Berlin

  • Nelli Tügel
  • Lesedauer: 1 Min.

Wo die Grenze zwischen kluger Diplomatie und gefährlicher Appeasement-Politik verläuft, ist oft nicht ohne Weiteres auszumachen. Doch dass drei Monate nach der Abschaffung der Demokratie in der Türkei Recep Tayyip Erdoğan mit dem vollen Programm - militärischen Ehren und Staatsbankett - in Berlin empfangen werden wird, ist in jedem Fall ein Affront. Gegen die Opposition des Landes; gegen viele Türkeistämmige in Deutschland, deren Präsident der Despot vom Bosporus ausdrücklich nicht ist.

Es wird der erste Deutschland-Besuch nach dem im Juli 2016 gescheiterten Putschversuch, der Inhaftierung von mehr als 100 000 Menschen, der großflächigen »Säuberung« des Öffentlichen Dienstes und nach dem Einmarsch in Afrin sein. Und schließlich auch der erste Staatsbesuch Erdoğans nach der Einführung des auf ihn zugeschnittenen Präsidialsystems. Seit die Wahlen am 24. Juni dieses System und mit ihm Erdoğan als Alleinherrscher bestätigten, hat sich über vielen derjenigen, die dagegen gekämpft haben, eine bleierne Hoffnungslosigkeit ausgebreitet. Ausgerechnet in dieser Situation Erdoğan - die Verkörperung dieser Hoffnungslosigkeit - nicht nur zu Gesprächen zu treffen, sondern als Staatsgast wie jeden anderen zu empfangen, sendet ein deutliches Signal: Die Bundesregierung hat die neuen türkischen Verhältnisse als Normalität akzeptiert.

Wir sind käuflich. Aber nur für unsere Leser*innen.

Die »nd.Genossenschaft« gehört ihren Leser:innen und Autor:innen. Sie sind es, die durch ihren Beitrag unseren Journalismus für alle zugänglich machen: Hinter uns steht kein Medienkonzern, kein großer Anzeigenkunde und auch kein Milliardär.

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:

→ unabhängig und kritisch berichten
→ übersehene Themen aufgreifen
→ marginalisierten Stimmen Raum geben
→ Falschinformationen etwas entgegensetzen
→ linke Debatten voranbringen

Mit »Freiwillig zahlen« machen Sie mit. Sie tragen dazu bei, dass diese Zeitung eine Zukunft hat. Damit nd.bleibt.