Ignorant

Personalie

  • Alexander Ludewig
  • Lesedauer: 2 Min.

Das Lächeln ist weg. Früher lächelte Joachim Löw einfach alles weg … Probleme, Kritik. Selbstgefälligkeit eines Siegers. Früher - das war vor der WM 2018, vor dem »Debakel«, wie der 58-Jährige es nennt. Als der Bundestrainer am Mittwoch seine Analyse der Presse präsentieren musste, war er kaum wiederzuerkennen. Kein Zeichen von Überlegenheit, selbst den weltmännischen Schluck Espresso klemmte er sich. »Manchmal isch weniger mehr.« Plötzlich hat man bei Löws badischem Dialekt nicht mehr den Weltmeister vor Augen, sondern wieder die Provinz: Schönau im Schwarzwald.

Zusehen hat sich am Mittwoch gelohnt, zuhören kaum. Löw ließ es floskeln. »Variabler« und »stabiler« müsse das DFB-Team spielen. So beschrieb er seinen »Masterplan« auch in erfolgreichen Zeiten. Und Löw verteidigte sich: Er zog Vergleiche dahin, wo der Ballbesitzfußball noch immer der beste ist. Und überhaupt: Nach der Vorrunde habe er die Taktik sowieso ändern wollen. Daran hat ihn das erste WM-Vorrundenaus einer DFB-Elf aber gehindert.

Ganz kurz es doch Interessantes zu hören. Löw rutschte ein »fast schon arrogant« raus, als er über seinen »größten Fehler« sprach, an seiner Spielidee festzuhalten. Andere Aussagen des Bundestrainers widerlegen die Zufälligkeit. »Wir waren überzeugt, es geht schon gut, wenn das Turnier losgeht«, sagte er kurz nach dem WM-Aus. Ende 2017 fragte er: »Warum soll ich mir Sorgen machen.« Weggefährten äußerten, Löw lebe schon länger in seinem eigenen Kosmos.

Arrogant und ignorant haben ihn die Siege gemacht. Spätestens mit dem WM-Titel 2014 fand er Einlass in die Welt der Schönen und Erfolgreichen. Jetzt muss er sich neu beweisen. Dass er bei der Berufung des DFB-Kaders die Namen der drei Neulinge vom Blatt ablesen musste, wird ihm noch verziehen. Andere Fehler nicht mehr, denn schon Alfred Preißler wusste: »Entscheidend is auf’m Platz.« Aber da hält sich der DFB ja schon lange raus: Das Nationalteam wurde unter Löw und Manager Oliver Bierhoff outgesourct. Dementsprechend fand DFB-Präsident Reinhard Grindel die WM-Analyse auch »sehr überzeugend«.

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