Porphyrland - Sachsens vulkanische Vergangenheit

16 Landschaften und Stätten gelten in Deutschland mittlerweile als erdgeschichtlich bedeutsame Refugien von nationalem Rang

  • Harald Lachmann
  • Lesedauer: 4 Min.

Von den 144 Landschaften mit der »Schweiz« im Namenszusatz, die es weltweit geben soll, ragt eine im Nordwesten Sachsens auf - die Hohburger Schweiz. Sie misst zwar an ihrer höchsten Stelle nur 240 Meter, doch fühlt sich eine Handvoll Idealisten berufen, zu Füßen des Gaudlitzberges regelmäßig ein internationales Bergfilmfestival zu veranstalten. Bis zu 1000 alpine Fans lockt es dann stets für drei Tage bei Einbruch der Dunkelheit vor die von Fackeln erhellte rotschwarzgelbe Porphyr-Kulisse - zuletzt im August. Es war schon die 20. Auflage.

Indes ist das den Namen gebende Städtchen Hohburg fraglos eine der Perlen in einem Refugium, das auf seltene Weise Erdgeschichte erlebbar machen will - gemeint ist der Geopark Porphyrland, benannt nach dem Sammelbegriff für verschiedene vulkanische Gesteine. Der Geopark erstreckt sich rund 1200 Quadratkilometer über ein Gebiet, das Geologen den Nordwestsächsischen Vulkanitkomplex nennen. Vor 300 bis 275 Millionen Jahren entstanden dort durch Lavaausbrüche Hunderte Meter mächtige Steinformationen, vor allem aus Granit und Porphyr. »Wir haben das größte Vulkangebiet Mitteleuropas unter unseren Füßen«, erklärt Porphyrland-Schatzmeister Thomas Pöge. Fraglos prägen diese steinigen Relikte die Region zwischen Leipzig und Rochlitz, auch wenn mancher Berg längst zum Steinbruch schrumpfte. So erstand auch eines der höchsten Denkmale Europas, das Völkerschlachtdenkmal in Leipzig, aus Granitporphyr, den man einst vor den Toren der Stadt Beucha östlich von Leipzig brach.

Das sächsische Porphyrland, das sich doppelsinnig mit »Steinreich« empfiehlt, steht nicht allein. Mittlerweile 16 Nationale Geoparks umfasst ein Geflecht, das die Berliner GeoUnion Alfred-Wegener-Stiftung geknüpft hat. Das Netz aus diesen Regionen, die alle mit einem speziellen Gütesiegel aufgewertet wurden, spannt sich mittlerweile von B wie Geopark Bergstraße-Odenwald bis W wie Geopark Westerwald-Lahn-Taunus. Zwei der Parks schlagen sogar schon Brücken von Sachsen beziehungsweise Brandenburg nach Polen sowie von Bayern nach Tschechien.

Bei der entsprechenden Zertifizierung sind die Stiftungsexperten sehr genau. Ein als »national« etikettierter Geopark soll dem Besucher nicht nur rein intellektuell vermitteln, wie Landschaften entstanden, welche Gesteine und Rohstoffe im Untergrund vorkommen und wie Geologie und Böden die jeweilige Landnutzung beeinflusst. All diese Themen müssen auch zeitgemäß-haptisch aufbereitet sein, etwa mittels geführter Wanderungen, Lehrpfade, Informationstafeln, Faltblätter - oder eben auch über ein Bergfilmfestival. So musste auch der 2006 gegründete Geopark Porphyrland acht Jahre warten, ehe ihn die Gralshüter der deutschen Erdentwicklungsgeschichte 2014 als Region von nationalem Rang adelten. Neben bedeutenden Geotopen wie Wind- und Gletscherschliffen, in denen sich bis heute eiszeitliche Spuren abbilden, trugen hierzu auch Zeugnisse menschlicher Tätigkeit bei, etwa das Hohburger Steinarbeiterhaus von 1802. Es spiegelt recht anschaulich die Geschichte der nordwestsächsischen Steinindustrie, darunter das harte und karge Leben der hiesigen Steinbrecher.

Der Geopark Mecklenburgische Eiszeitlandschaft verlor hingegen 2011 sogar wieder seinen nationalen Status, weil dessen Betreiber die entsprechenden Bedingungen für dieses Label nicht mehr erfüllt hätten, so GeoUnion-Geschäftsführer Dr. Christof Ellger. Die Region steht nun erneut auf der Warteliste, so wie auch fünf weitere Bewerber, die gern in die Oberliga der deutschen Geoparks aufsteigen wollen. Zu ihnen gehören die Vulkanregion Vogelsberg, das baeyrisch-thüringische Schieferland, das Saale-Unstrut-Triasland und der Tharandter Wald bei Dresden.

Sechs der deutschen Geoparks spielen inzwischen sogar in einer Art Champions League mit. Denn 2015 entschied sich die UNESCO, die ersten Geoparks in ein spezielles Programm zu integrieren, das sich International Geoscience and Geoparks nennt. Es bezieht bereits 140 geologische Stätten und Landschaften in 38 Staaten ein. Bevor die Weltorganisation einer Region das Gütesiegel eines UNESCO-Geoparks zuspricht, muss diese eine »internationale geowissenschaftliche Bedeutung« nachweisen. In der Bundesrepublik gelang das etwa für die Fossilien im Urweltsteinbruch Holzmaden an der Schwäbischen Alb, die Eifel-Maare sowie die »klassische Quadratmeile der Geologie« im Nordharz. Letztere macht als einzige mitteleuropäische Landschaft nahezu alle erdgeschichtlichen Entwicklungsphasen der eurasischen Platte sichtbar. Einige geologisch bedeutsame Stätten in Deutschland reihte die UNESCO zudem in ihr Welterbe ein: das Bergwerk Rammelsberg bei Goslar, die Grube Messel bei Darmstadt und die Eiszeithöhlen auf der Schwäbischen Alb.

Auch für den Geopark Porphyrland wurde eine 1000-seitige Antragsschrift für das UNESCO-Prädikat hinterlegt. Und da das Ganze kein billiges Unterfangen ist, griff man zunächst tiefer in die Tasche. So steuerten Schatzmeister Pöge - nun in seiner Funktion als Bürgermeister des einstigen Steinabbaudorfes Thallwitz - sowie Amtskollege Uwe Weigelt aus Lossatal jeweils 2500 Euro aus der Gemeindekasse bei. Die Gesellschaft für angewandte Geologie in der Bergstadt Freiberg verdoppelte diese Summe dann noch einmal. Noch ist über die Bewerbung der Sachsen nicht entschieden worden.

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