Leser wandern zum Müggelturm

Am 16. September startet die nd-Herbsttour am S-Bahnhof Hirschgarten

  • Tomas Morgenstern
  • Lesedauer: 5 Min.

Scharen von Familien, Rentnergruppen und ganze Touristenbusladungen zwischen Rübezahl und Teufelssee, Müggelheimer Damm und Marienlust an der Dahme unterwegs mit dem Ziel Kleiner Müggelberg. Ausgelassene Stimmung auf den Sonnen- und Aussichtsterrassen, regionale Küche, Kaffee und Kuchen und ein frisches Bier in gemütlichen Gaststätten. Mit dem Müggelturm, der so viele Jahre ein Bild des Jammers geboten hatte, hätte man dergleichen lange nicht in Verbindung gebracht.

Am 16. September ist der Müggelturm das Ziel der 100. nd-Leserwanderung. Gestartet wird von 9 bis 11 Uhr am Berliner S-Bahnhof Hirschgarten. Zur Auswahl stehen zwei Strecken. Sie sind sieben Kilometer beziehungsweise 14 Kilometer lang.

Seit auch die Gastronomie auf den von Grund auf erneuerten Terrassen am Fuße des weißen Turms am 1. Mai wiedereröffnet wurde, haben die Berliner und das wohl bekannteste Wahrzeichen des Stadtteils Köpenick wieder zueinander gefunden. Zwar laufen noch immer Verschönerungsarbeiten, doch die Besucher haben vom neuen Hauptmann-Restaurant im Obergeschoss und der Selbstbedienungsgaststätte auf der Aussichtsterrasse ebenso Besitz ergriffen, wie von der traditionsreichen Müggelturm-Baude im Untergeschoss. Es ist die erste Saison, und bis heute hat das Wetter nahezu immer mitgespielt.

»Wir sind sensationell zufrieden, mit einem solchen Ansturm haben wir dann doch nicht gerechnet«, sagt Eigentümer und Geschäftsführer Matthias Große dem »nd«. »Mehrere Zehntausend Leute sind bis jetzt zu uns gekommen, Besucher aus 36 Nationen. Und das, obwohl wir mit dem Areal noch längst nicht fertig sind.« Der Köpenicker Unternehmer hatte das Areal mit dem maroden Müggelturm-Ensemble im Mai 2014 erworben, nachdem zuvor mehrere Investoren den beliebten Ausflugsort nach dem Kauf sich selbst überlassen hatten. Und obwohl Große bereits Anfang 2015 seine Sanierungspläne für das Gelände und die Bauten am Müggelturm beim Bezirksamt Treptow-Köpenick eingereicht hatte, sind am Ende noch drei Jahre bis zur feierlichen Eröffnung vergangen. Zuerst war die rustikale Müggelturm-Baude fertig, so dass sie mit der Erteilung der Baugenehmigung im März 2017 bereits öffnen konnte. Weit aus dem Fenster gelehnt hatte sich der heute 50-jährige Große damals, als er verkündet hatte: »Der Müggelturm wird wieder ein Köpenicker«. Eine weitere enttäuschte Erwartung hätten vor allem die Ostberliner dem neuen Müggelturm-Eigentümer nicht verziehen, zumal er ja quasi ein Nachbar ist. Doch erst, als das Bauamt im Oktober 2017 den Weg für die Sanierung des Gesamtareals freigemacht hatte, war auch der Eröffnungstermin 1. Mai 2018 sicher.

Wie umfangreich die Arbeiten dann tatsächlich sein würden, und wie zäh die Widerstände in mancher Behörde sein würden, hat selbst ein erfahrener Geschäftsmann wie Matthias Große vermutlich nicht gewusst. »Wir haben hier oben Millionenwerte geschaffen, doch wir werden mit so einer Baustelle, auf der sich in den zurückliegenden 20 Jahren so gut wie nichts getan hatte, auch nicht so schnell fertig sein«, sagt er salomonisch. Und es gibt auch Vorhaben, für die er bisher noch nicht die richtigen Partner gefunden hat. So, wenn des zum Beispiel darum geht, den Müggelturm über eine bestehende Buslinie besser an den Berliner Nahverkehr anzubinden. Auf noch heftigere Widerstände dürfte er mit seinem Wunsch nach freien Sichtschneisen in den Wäldern für bessere Fernsicht von den Terrassen aus stoßen.

Dabei ist die Aussicht grandios, die sich Besuchern vor allem vom Aussichtsgeschoss des Müggelturms bietet. Bei klarer Witterung soll man 50 Kilometer weit ins Land schauen können - weit über das Berliner Stadtzentrum hinaus, aber auch zu den zwei Schönefelder Flughäfen, zum Tropical Island im Süden, zum Rüdersdorfer Zementwerk.

Der Ende 1961 als Nachfolger des ursprünglichen, 1958 abgebrannten Holzturms eröffnete »neue« Müggelturm ist 29,61 Meter hoch. Dazu addiert sich die Höhe des Kleinen Müggelbergs, der es amtlich auf 88,3 Meter über Normalhöhennull (NHN) bringt. Wer heute die 126 Stufen hinaufsteigen will (und kann, denn einen Lift gibt es schon aus Denkmalschutzgründen nicht), der muss inzwischen am Automateneinlass einige Münzen bereithalten. Vier Euro muss ein Erwachsener zahlen (Kinder und Ermäßigte zwei Euro), doch er tut damit auch ein gutes Werk. »Sämtliche Eintrittsgelder kommen der Sanierung des Müggelturm-Areals zugute«, heißt es auf der Website müggelturm.berlin.

Im Gegensatz zum Turm sind alle gastronomischen Bereiche und die Terrassen im Zuge der Sanierung barrierefrei gestaltet worden. Darauf weist Unternehmenssprecherin Kerstin Jennes hin. »Das kommt viel besser an als gedacht«, sagt sie. Unter anderem die Volkssolidarität hatte sich für die Aufzüge eingesetzt, und gerade mancher betagte Wanderfreund wird sie wohl zu schätzen wissen.

»Natürlich sind unsere Alt-Köpenicker wieder da, doch gerade in den Sommerferien kamen auch Großeltern mit ihren Enkeln, zu den Ferienspielen waren Schul- und Hort-Gruppen da«, sagt sie. »Wir sehen hier Sportvereine auf Tour, E-Biker, ganze Firmenbelegschaften. Viele Reiseveranstalter, die mit ihren Bussen Köpenick ansteuern, bringen ihre Gäste zu uns. Für sie alle haben wir ja jetzt auch genügend Plätze.« Auf den Terrassen finden bei schönem Wetter 500 Besucher einen Sitzplatz, 180 im Hauptmann-Restaurant und 80 in der Baude.

Es fällt auf, dass auf dem gesamten Gelände weiterhin Arbeiten im Gange sind. Kersten Jennes erläutert: »Im Moment arbeiten wir an der Fertigstellung unserer Hundeterrasse, auf der Besucher, die ihren Vierbeiner bei sich haben wollen, ein wenig separiert sitzen können. Damit reagieren wir auf einen Wunsch, den zahlreiche Hundebesitzer an uns herangetragen haben.« Doch auch an den Fassaden ist noch viel zu tun.

Die Sommersaison hat das Müggelturm-Team laut Jennes gut bewältigt. Man arbeite inzwischen mit einer festen Truppe von vielleicht 20 Teil- und Vollzeitbeschäftigten. Die Küche hat sich längst auf speziellen Kundenwünsche eingestellt, so weist die Speisekarte durchaus auch Ost-Klassiker wie das Jägerschnitzel mit Tomatensoße und Nudeln, Wurstgulasch oder Feines Würzfleisch aus. Zum Saisonwechsel ab 11. November wird es dann Gänsebraten, Wild- und Pilzgerichte geben. Traditionsverliebte werden übrigens ab 7. November, wenn auch »unter der Woche«, erstmals wieder zum Tanztee gebeten. Na, und wenn es um die richtig große Party geht, dann sei auf den Tag der Einheit am 3. Oktober und Silvester verwiesen.

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