Behördlich bestätigte Rechtsextremisten

Brandenburgs Verfassungsschutz hat 5 von 30 AfD-Landtagsabgeordneten als rechtsextrem abgespeichert

  • Andreas Fritsche
  • Lesedauer: 4 Min.
Gelten beim Verfassungsschutz als Rechtsextremisten: die AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Christoph Berndt (l.) und Dennis Hohloch.
Gelten beim Verfassungsschutz als Rechtsextremisten: die AfD-Landtagsabgeordneten Hans-Christoph Berndt (l.) und Dennis Hohloch.

Im Brandenburger Verfassungsschutzbericht 2024 steht nichts über den Verein »Friedensbrücke – Kriegsopferhilfe«. Doch nach Einschätzung von Innenminister René Wilke (für SPD) handelt es sich dabei um »eine Organisation, die durchaus geeignet ist, im Verfassungsschutzbericht aufzutauchen«.

Ende Mai hatte die Bundesanwaltschaft ein Haus in Königs Wusterhausen und ein Büro im nd-Gebäude in Berlin durchsuchen lassen. Weil sie Spenden gesammelt und Hilfslieferungen in den Osten der Ukraine organisiert haben, werden zwei Vereinsmitglieder verdächtigt, ab 2015 ausländische Terroristen unterstützt zu haben. Denn 2014 hatten zu Russland haltende Separatisten in Donzek und Luhansk die Macht übernommen, diese beiden Gebiete zu unabhängigen Volksrepubliken erklärt und sich Kämpfe mit dem ukrainischen Militär geliefert. Die Bundesanwaltschaft stufte diese schließlich 2022 von Russland einverleibten Volksrepubliken als ausländische terroristische Vereinigungen ein. Die beiden Vereinsmitglieder konnten nicht gefasst werden, da sie sich in Russland aufhielten.

Unter der Überschrift »Repression wegen konstruierter Unterstützung von ›Terrorismus‹« äußerte sich der Landtagsabgeordnete Christian Dorst (BSW) zu den Vorwürfen gegen den Verein »Friedensbrücke«. Er erklärte: »Ich habe Frau K. und ihre Mitstreiter all die Jahre sehr bewundert für ihr Engagement für die kriegsgebeutelten Menschen im Donbass. Dieses Land versinkt Tag für Tag zunehmend in Dunkelheit.«

Es herrsche Ungläubigkeit angesichts eigentlich doch recht klarer Erkenntnisse über die Friedensbrücke, bedauert Innenminister Wilke am Mittwoch. »So weit sind wir schon gekommen.« Es habe sich nicht einfach nur um ehrenwerte humanitäre Hilfe gehandelt. Aber die Tatsachen seien von den Verdächtigen auch geschickt verschleiert worden, sagt Wilke.

Schon seit den 1990er Jahren ist in Brandenburg das alles andere überschattende Hauptproblem der Rechtsextremismus – und gerade wird es immer schlimmer. Das linksextremistische Potenzial im Bundesland beziffert der Verfassungsschutz dagegen unverändert zum Vorjahr mit 550 Personen.

Auf der anderen Seite ordnet der Verfassungsschutz der rechten Szene 3650 Personen zu. Das sind noch einmal 565 mehr als im Jahr 2023. Vor zehn Jahren waren es insgesamt nur 1230.

Inzwischen gibt es nach Einschätzung des Gemeindienstes allein schon 1400 Rechtsextremisten unter den 2600 Mitgliedern, die der AfD-Landesverband Ende vergangenen Jahres hatte. Ausgangspunkt dieser Zahl sei eine eigene Angabe der AfD gewesen, dass 40 Prozent der Parteimitglieder in Brandenburg zum inzwischen aufgelösten völkischen Flügel um Björn Höcke gehören, sagt der kommissarische Verfassungsschutzchef Axel Heidrich. Dazu kommen dann noch Einschätzungen über die Verhältnisse in einzelnen Kreisverbänden. Es handelt sich also um eine Hochrechnung, nicht um 1400 namentlich vom Verfassungsschutz erfasste Parteimitglieder.

Von den 30 AfD-Landtagsabgeordneten führt der Verfassungsschutz fünf als Rechtsextremisten. Das sind Fraktionschef Hans-Christoph Berndt sowie die Abgeordneten Dennis Hohloch, Lars Günther, Daniel Freiherr von Lützow und Jean-Pascal Hohm. Dass die Abgeordnete Lena Kotré trotz ihrer als sehr radikal empfundenen Reden nicht als Rechtsextremistin zu gelten habe, rechtfertigt Heidrich damit, dass sich der Verfassungsschutz zunächst vordringlich mit der Einstufung des gesamten AfD-Landesverbandes befasst habe und seine Ressourcen nicht unbegrenzt seien. Heidrich verrät allerdings, man habe Reden durchaus registriert, die Korté zuletzt in der Schweiz und in der sogenannten Staatsreparatur in Berlin gehalten habe.

Die Hochstufung des AfD-Landesverbandes vom Verdachtsfall in die Kategorie »gesichert rechtsextremistisch« ist noch nicht gerichtlich bestätigt. Im Moment ist nicht einmal über eine Klage der AfD entschieden, die sie bereits gegen ihre Einstufung als Verdachtsfall eingereicht hatte.

Innenminister Wilke bekennt, er könne sich gut vorstellen, dass die Hochstufung der AfD vor Gericht Bestand haben werde. Er hätte die Einstufung der Partei als »gesichert rechtsextremistisch« demnach mittragen können, wenn er zu diesem Zeitpunkt schon Innenminister gewesen wäre.

Ursprünglich sollte der Verfassungsschutzbericht 2024 bereits im Mai vorgestellt werden. Dies verzögerte sich, weil Innenministerin Katrin Lange (SPD) zunächst Verfassungsschutzchef Jörg Müller entlassen hatte und dann selbst zurückgetreten war. Katrin Lange hielt wenig von einem AfD-Verbotsverfahren, das nach einer Einstufung als »gesichert rechtsextremistisch« eingeleitet werden könnte.

Der neue Verfassungsschutzchef Wilfried Peters, ein Berliner Verwaltungsrichter, soll sein neues Amt in Potsdam am kommenden Montag antreten.

Aus dem Verfassungsschutzbericht 2024
  • Der linksradikalen Szene rechnet der Verfassungsschutz für das vergangene Jahr 51 Gewalttaten zu, während es für das Jahr 2023 nur 11 waren.
  • Der rechten Szene werden vom Geheimdienst 113 Gewaltakte zurerechnet.
  • Die Deutsche Kommunistische Partei (DKP) hat in Brandenburg angeblich nur noch 20 Mitglieder und die Marxistisch-Leninistische Partei Deutschlands (MLPD) soll im Bundesland lediglich fünf Mitglieder haben.
  • Die anarcho-syndikalistische Freie Arbeiter*innen-Union (FAU) soll in Brandenburg genauso wenig Wirkung entfalten wie die trotzkistische Gruppe Arbeiter*innenmacht.
  • Die Rote Hilfe mit 420 vor allem zahlenden Mitgliedern aus Brandenburg wird als gewaltrechtfertigend einsortiert, nur weil sie wegen Ausschreitungen angeklagten Demonstranten Rechtsanwälte stellt, auch wenn die Rote Hilfe selbst keine Gewalt ausübe, wie der Geheimdienst einräumt. So viele Mitglieder wie jetzt soll die Rote Hilfe in Brandenburg noch nie gehabt haben.
  • Die rechte Partei »Die Heimat« (früher NPD) soll jetzt noch 120 Mitglieder in Brandenburg haben und damit nur noch halb so viele wie 2015. Dagegen hat die neofaschistische Partei »Der Dritte Weg« inzwischen 80 Mitglieder – dreimal so viele wie 2015. af
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