Ausbildungsplatzumlage: Das steht im schwarz-roten Gesetzentwurf

Berliner Regierungskoalition legt Gesetz für einen Ausbildungsfonds vor

Auszubildende im Motorradwerk in Spandau
Auszubildende im Motorradwerk in Spandau

Lang hielt er nicht an, der Widerstand des Regierenden Bürgermeisters Kai Wegner (CDU). Die Gesetzesvorbereitungen kämen zur Unzeit, hatte er im April im Einklang mit Berliner Wirtschaftsverbänden geäußert. Da hatte Arbeitssenatorin Cansel Kiziltepe (SPD) die Pläne für eine Ausbildungsplatzumlage gerade vorgestellt.

Bei der Koalitionsklausur im Juni hatten die Fraktionen dann bereits angekündigt, dass das Gesetz wie in der Regierungsvereinbarung verabredet kommen soll – wenn Ende dieses Jahres nicht 2000 Ausbildungsplätze mehr zur Verfügung stehen als zu Beginn des Ausbildungsjahres 2023. Die erste Lesung im Abgeordnetenhaus könnte schon im Oktober erfolgen, hatte die Koalition mitgeteilt. »nd« liegt der Gesetzentwurf vor.

»Ausbildungsförderungsfondsgesetz«, lautet der schwungvolle Titel. Offenbar will man eine allzu deutliche Assoziation mit der enthaltenen Zwangsabgabe vermeiden, die der Begriff »Ausbildungsplatzumlage« immer ausgelöst hat. Mit der Abgabe (»Berufsausbildungssicherungsabgabe«) zahlen alle Berliner Unternehmen in den Fonds ein, aus dem ausbildende Unternehmen eine Pauschale erhalten. Damit sollen sie »von einem Teil der Ausbildungskosten« entlastet werden, heißt es in der Gesetzesbegründung.

Ausgleich für ausbildende Unternehmen

Die Pauschale wird pro Auszubildende*n gezahlt. Die Höhe der Pauschale soll sich »an der durchschnittlichen tariflichen Ausbildungsvergütung orientieren«. In der begleitenden Gesetzesbegründung ist diese für Berlin mit 11 900 Euro im Jahr angegeben. Für jede*n Auszubildende*n im ersten Ausbildungsjahr soll die volle Pauschale gezahlt werden, im zweiten Jahr die Hälfte und im dritten Jahr ein Viertel. Für eine abgeschlossene Abschlussprüfung erhält der Arbeitgeber noch einmal ein Viertel des Ausgleichs.

Die Höhe der Pauschale soll von einem zehnköpfigen Beirat empfohlen und von der Senatsverwaltung für Arbeit per Rechtsverordnung festgesetzt werden. Einen Kostenausgleich und damit die Pauschalen müssen ausbildende Unternehmen beantragen. Je höher der Anteil der Auszubildenden in einem Unternehmen, desto größer wäre der Betrag, den ein Unternehmen aus dem Fonds gezahlt bekommt.

Alle zahlen ein

Die an die ausbildenden Unternehmen zu zahlenden Pauschalen ergeben einen jährlichen Gesamtbedarf, der durch eine Abgabe aller Unternehmen gedeckt werden soll. Um die Höhe der Abgabe zu berechnen, soll zunächst der Gesamtbedarf in ein Verhältnis zur jährlichen Summe aller berlinweit von den Unternehmen gezahlten Gehälter gesetzt werden.

Jedes einzelne Unternehmen soll dann diesen Prozentwert von der Summe der von ihm ausgezahlten Bruttolöhne in den Ausbildungsfonds einzahlen. Denkbar sei laut der Gesetzesbegründung eine Abgabe in Höhe von 0,1 bis 0,4 Prozent des Gesamtbruttolohns. Das Gesetz selbst sieht dafür eine Obergrenze von 0,5 Prozent vor.

Verwaltung und Steuerung

Zur Verwaltung des Fonds wird eine Ausbildungskasse eingerichtet. Sie bestimmt die Höhe der Abgabe, die das einzelne Unternehmen zahlen muss und treibt das Geld ein. Arbeitgeber werden mit dem Gesetz dazu verpflichtet, der Ausbildungskasse ihre Gesamtbruttolohnsumme mitzuteilen, die sie ihren Beschäftigten innerhalb eines Jahres gezahlt haben. Macht ein Unternehmen keine oder fehlerhafte Angaben, soll die Ausbildungskasse den Gesamtlohn schätzen. Auch ein Bußgeld bis zu einer Höhe von 500 000 Euro ist möglich.

Der zehnköpfige Beirat soll die mit dem Fonds verbundenen Maßnahmen begleiten, insbesondere die Festsetzung der Höhen von Abgabe und Ausgleich. Ihm soll auch die Aufgabe zukommen, das Gesetz drei Jahre nach Inkrafttreten zu evaluieren. In den Beirat sollen Gewerkschaften und Unternehmensverbände je drei Mitglieder entsenden. Die Senatsverwaltungen für Finanzen, Wirtschaft und Bildung besetzen je einen Platz. Der Vorsitz kommt der Senatsverwaltung für Arbeit zu und damit in Entscheidungen im Zweifel auch die entscheidende Stimme.

Ausnahmen, Kosten, Personalaufwand

Von der Pflicht, in den Fonds einzuzahlen, sollen Unternehmen ausgenommen sein, deren Gesamtlohnaufwendungen unterhalb einer noch zu bestimmenden Bagatellgrenze liegen. Diese soll nach Möglichkeit in Höhe der durchschnittlichen Lohnsumme für fünf Beschäftigte liegen. Ausgenommen sind darüber hinaus Härtefälle und Unternehmen, die unter tariflich vereinbarte Ausbildungsumlagen fallen. Dazu gehören zum Beispiel die Baubranche, der Landschafts- und Gartenbau und aufgrund einer Tarifeinigung vom Dezember auch bald das Tischlereihandwerk.

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Die nicht näher spezifizierten Kosten für die Verwaltung des Fonds werden aus der Haushaltskasse des Landes getragen. Auch über den Personalaufwand gibt das Gesetz keine Auskunft. Er soll sich an den »Erfahrungen beim Pflegeausbildungsfonds orientieren«, sagte ein Sprecher der Senatsverwaltung für Arbeit der »Berliner Zeitung«. Beim Landesamt für Gesundheit und Soziales seien dort laut der Zeitung 13 Personen mit dem Pflegeausbildungsfonds befasst. Sie sind allein für Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen, Pflegeschulen und ähnliche Einrichtungen zuständig.

Inkrafttreten soll das Gesetz in Stufen. So sollen 2027 Berliner Unternehmen die entsprechenden Daten der Ausbildungskasse melden. Abgabe und Ausgleichspauschale würden dann ab 2028 eingeführt.

Hochgesteckte Ziele

Bemerkenswert ist die klare Zielsetzung, die mit dem Gesetz verfolgt wird: »das Angebot an Ausbildungsplätzen zu erhöhen«. Dass eine branchenübergreifende Umlage oder ein Fonds das leisten kann, ist umstritten und bisher nicht belegt. In Bremen, wo bereits ein solcher Fonds existiert, hat man den Schwerpunkt deutlicher auf den Zweck der solidarischen Umverteilung gelegt. Der Fonds diene »der Finanzierung eines Ausbildungskostenausgleichs«, heißt es dort.

Die Steigerung der Ausbildungszahlen soll dort zwar auch über ein durch den Kostenausgleich verringertes Investitionsrisiko für die Arbeitgeber erreicht werden. Doch über einen reinen Finanzausgleich hinaus soll aus dem Bremer Fonds ein Katalog von Maßnahmen gefördert werden, etwa Beratungs- und Unterstützungsangebote für Arbeitgeber, Auszubildende und Ausbildungssuchende. Im Berliner Gesetz sind derlei qualitative Maßnahmen explizit nicht enthalten. »In Berlin arbeiten bereits zahlreiche Akteure erfolgreich an einer Verbesserung der Ausbildung«, heißt es zur Begründung von CDU und SPD.

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