Wasserballer machen Werbung

Das deutsche Team begeistert mit einem Sieg gegen Ungarn - und kommt damit der WM sowie einer besseren Förderung ein Stück näher

  • Jörg Soldwisch
  • Lesedauer: 3 Min.

Hagen Stamm reckte am Beckenrand die Faust und stimmte mit einem Urschrei in den Jubel seiner Spieler ein. »Mr. Wasserball«, wie der Bundestrainer auch genannt wird, hat in vier Jahrzehnten als Spieler und Coach viel erlebt - aber Siege gegen die Wasserballweltmacht Ungarn sind auch für den 58-Jährigen höchst ungewöhnlich und deshalb umso schöner. »Ich weiß gar nicht, ob wir in diesem Jahrtausend überhaupt schon gegen Ungarn gewonnen haben«, sagte der Bundestrainer nach dem 12:10-Sieg (1:2, 3:4, 4:2, 4:2) zum Auftakt des Heimweltcups in Berlin gegen den Vizeweltmeister. Die Statistik des Deutschen Schwimm-Verbandes (DSV) konnte helfen: Vor acht Jahren hatte man zuletzt Ungarn geschlagen, und in 160 Länderspielen gegeneinander verließ die DSV-Auswahl am Dienstagabend erst zum 25. Mal als Sieger das Becken.

Die Mission »WM-Ticket« startete für das deutsche Team also mit einem fast schon sensationellen Coup, den die rund 400 Fans im Berliner Europasportpark begeistert feierten. »Es war toll, weil Wasserball sonst immer ein Opernpublikum hat, aber heute habe ich viele Leute ›Deutschland‹ schreien hören«, sagte Stamm: »Da haben meine Jungs wahrscheinlich einen Schreck bekommen, weil sie das gar nicht kennen.«

Für Stamm, der als Aktiver die besten Zeiten des deutschen Wasserballs maßgeblich mitgeprägt hatte, war der Sieg nicht einmal ein Glückstreffer. Zumal die Ungarn personell etwas testen. »Meine Jungs haben überdimensional stark gespielt«, schwärmte der Olympiadritte von 1984: »Sie haben eine wahnsinnig tolle Moral bewiesen, deswegen sind wir auch zurecht der Sieger.« Auch von einem Drei-Tore-Rückstand im dritten Viertel ließ sich die Mannschaft um die dreifachen Torschützen Julian Real und Ben Reibel nicht entmutigen. Nicht nur Stamm fand, dass dieses grandiose Spiel mehr Zuschauer verdient gehabt hätte.

Die Misserfolge der vergangenen Jahre, in denen zwei Olympische Sommerspiele und zwei Weltmeisterschaften verpasst wurden, haben die Randsportart noch mehr ins Abseits befördert. »Aber mit dem Spiel gegen Ungarn haben wir viel Werbung gemacht«, sagte Stamm. Und nicht nur das. Durch den Auftakterfolg ist der Sieg in der Gruppe A mit den weiteren Gegnern Japan und Australien möglich - und damit ein vermutlich leichterer Gegner in der Finalrunde. Das ist wichtig, da der Weltcup für die deutsche Mannschaft die letzte Chance auf eine WM-Teilnahme ist: Hier werden vier Tickets für die Weltmeisterschaft 2019 in Südkorea vergeben.

Hagen Stamm warnte aber im Moment des Triumphes vor dem zweiten Gruppenspiel am Mittwochabend (nach Redaktionsschluss) gegen den WM-Zehnten Japan. Die wuseligen Asiaten seien »wie die Fliegen um die Lampe«, verglich Stamm, »die sind zwar gefühlt alle nur 1,60 Meter groß, aber schwimmen alle doppelt so schnell wie wir.« Der Bundestrainer traut seinen Spielern aber durchaus weitere Überraschungen im Turnier zu. Sie seien in den 100 Tagen der Vorbereitung »teilweise bis an die Schmerzgrenze« gegangen, und augenzwinkernd fügte Stamm an: »Auch der Halbtagstrainer hat sich für den Aufwand belohnt.«

Stamm, der schon von 2000 bis 2012 die deutsche Nationalmannschaft betreute, ist mittlerweile wieder Cheftrainer ohne Vollzeitvertrag. Der Fachsparte Wasserball steht durch die Misserfolge kaum noch Geld zur Verfügung. Auch deshalb wäre eine WM-Teilnahme 2019 so wichtig. SID/nd

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