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- Protest in der Türkei
Paternalistischer Kapitalismus
Jan Keetman über die Niederschlagung des Bauarbeiterstreiks in der Türkei
Die Arbeitsbedingungen auf der Flughafenbaustelle von Istanbul sind besonders krass. Das hängt mit dem von Präsident Recep Tayyip Erdogan geschaffenen Termindruck zusammen. Aber auch mit dem Einsatz vieler Wanderarbeiter aus Ostanatolien und Aserbaidschan, die kaum organisiert sind. Nicht ohne Grund nahm die Gendarmerie jetzt zur Niederschlagung eines Streiks gezielt Gewerkschaftsfunktionäre fest.
Nicht nur auf dieser Baustelle gibt es immer schlimmere Arbeitsbedingungen. Die Dämonisierung jeder Form von Dissens, die Förderung eines paternalistischen Verhältnisses zu Staat und Arbeitgeber sowie ein neoliberales Kapitalismusmodell greifen ineinander. Hinzu kommen die sich durch die Lira-Krise verschärfenden Probleme, angesichts derer Erdogan offenbar denkt, er müsse die Wirtschaft wie seine Partei lenken.
Unterdessen braucht der Präsident nicht zu darben. Gerade hat er einen neuen Riesenjet bekommen - laut offizieller Version ein Geschenk des Emirs von Katar, inoffiziell ein Kauf auf Staatskosten, der wegen der Wirtschaftskrise nicht zugegeben wird. Und dann wurden gerade die Pläne für eine neue Sommerresidenz präsentiert. Ein Palast am Meer mit 300 Zimmern und 65 Hektar Gelände. Vielleicht fällt es Erdogan ja deshalb so schwer, sich in die Lage einfacher Arbeiter zu versetzen.
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