Fortschritt vom anderen Ende der Welt

Vor 125 Jahren wurde in Neuseeland das Frauenwahlrecht eingeführt - nicht die einzige progressive Idee von dort

  • Barbara Barkhausen, Sydney
  • Lesedauer: 3 Min.

125 Jahre ist es her, dass Frauen zum ersten Mal an die Wahlurnen treten durften. Neuseeland war weltweit das erste Land, das Frauen das Wahlrecht zusprach. Am 28. November 1893 gaben mehr als 90 000 neuseeländische Frauen ihre Stimme ab. Gewählt werden durften Frauen allerdings erst 1919, und es dauerte bis 1933, bis die erste Abgeordnete tatsächlich ins neuseeländische Parlament einzog.

Ein Schwarz-Weiß-Foto der neuseeländischen Abgeordneten aus dem Jahr 1905 zeigt deswegen nur Männer. Dieses symbolträchtige Bild stellten die neuseeländischen Parlamentarierinnen nun anlässlich des Jubiläums nach - nur dieses Mal hieß es: Männer raus. Die Politikerinnen im neuseeländischen Parlament posierten gemeinsam mit Premierministerin Jacinda Ardern und deren kleiner Tochter.

Statt der relativ steif dreinblickenden Herren mit Anzug und Weste sitzen nun bunt gekleidete Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft vor der Kamera. Neben Maori-Abgeordneten ist auch die erste Parlamentarierin auf dem Bild, die als Flüchtling nach Neuseeland kam. »Was für einen Unterschied 113 Jahre machen!«, twitterte sie. Golriz Ghrahraman ist eine Vertreterin der grünen Partei Neuseelands.

Jacinda Ardern, die bereits die dritte Regierungschefin des Landes ist, saß auf dem Foto in der Mitte und hielt ihre Tochter Neve Te Aroha auf dem Schoß, die im Juni zur Welt gekommen ist. Ardern hatte sechs Wochen Mutterschutz genommen. Bei den Wahlen 2017 war eine Rekordzahl von 46 Frauen in das neuseeländische Parlament eingezogen. Dies entspricht 38 Prozent der Parlamentarier. Ziel ist es, den Anteil auf 50 Prozent zu erhöhen.

Die Fotos, die das neuseeländische Parlament auf Facebook veröffentlichte, erhielten etliche Likes und Kommentare. »Diese alten Männer hätten sich nie vorstellen können, wie das Parlament 2018 aussieht«, schrieb die Facebook-Nutzerin Ariana Va-ine. Die Zeiten hätten sich gewandelt. »Das beste Foto, das ich seit Langem gesehen habe«, schrieb eine andere Frau.

Dass ausgerechnet das kleine, abgelegene Neuseeland Vorreiter beim Frauenwahlrecht wurde, liegt laut Katie Pickles, Geschichtsprofessorin an der Universität von Canterbury, daran, dass das Land eine relativ kleine Bevölkerungsgruppe hatte und keine fest verwurzelte konservative Tradition. Als Kolonie, in der sich die Briten vieles erst erkämpfen und neu aufbauen mussten, hatte Neuseeland Ende des 19. Jahrhunderts zudem einen Überschuss an Männern. Letzteres gab Frauen automatisch eine wichtige Rolle als Ehefrauen, Mütter und als »moralischer Kompass«, wie Pickles in einem Fachartikel in »The Conversation« schrieb.

Neuseeland fällt bis heute immer wieder mit fortschrittlichen Ideen und Gesetzen auf. So verabschiedete das Land im Juli ein Gesetz, wonach Opfer häuslicher Gewalt Anspruch auf zusätzliche zehn Tage bezahlten Urlaub haben. Und erst Anfang September wurde verkündet, dass das Land zweisprachig werden will und ab 2025 sämtliche Schulen neben Englisch auch die indigene Māori-Sprache unterrichten sollen. Die Sprache ist zwar jetzt schon eine der offiziellen Sprachen des Landes, doch nur wenige Menschen können sie tatsächlich sprechen.

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