Wolbergs sieht sich als Opfer und nackt

Stellungnahme des Ex-OB von Regensburg vor Gericht dauert mehrere Stunden

  • Ute Wessels, Regensburg
  • Lesedauer: 3 Min.

Er redet und redet und redet: Mehrere Stunden stellt der suspendierte Regensburger Oberbürgermeister Joachim Wolbergs (SPD) am Dienstag vor dem Landgericht Regensburg seine Sicht der Dinge dar. Es ist der zweite Verhandlungstag im Korruptions- und Parteispendenprozess. Für den angeklagten Wolbergs ist es der Moment, auf den er über zwei Jahre gewartet hat. Nach Beginn der Ermittlungen gegen ihn im Juni 2016 hatte der Kommunalpolitiker angekündigt, sich zu gegebener Zeit erklären zu wollen. Diese Zeit sei jetzt gekommen. Er redet sich immer wieder in Rage - vor allem die Staatsanwaltschaft bekommt seine Wut ab. Wolbergs, der sich wegen Vorteilsannahme und Verstoß gegen das Parteiengesetz verantworten muss, hat ein Ziel: nämlich deutlich zu machen, dass er kein Verbrecher ist und war.

An Wolbergs Seite sitzen seine Anwälte, hinter ihm die Mitangeklagten mit ihren Verteidigern. Neben ihm stehen der Ex-Fraktionschef der SPD im Regensburger Stadtrat, Norbert Hartl, sowie der Bauunternehmer Volker Tretzel und ein früherer Mitarbeiter Tretzels, Franz W., vor Gericht.

Im Gegenzug für Parteispenden im Wahlkampf und Vergünstigungen bei Wohnungskäufen soll der Bauunternehmer bei der Vergabe von Aufträgen profitiert haben - so sieht es die Staatsanwaltschaft. Sie legt Wolbergs zudem Bestechlichkeit und Tretzel Bestechung zur Last, die Wirtschaftsstrafkammer hatte dafür aber keinen hinreichenden Tatverdacht gesehen und diese Anklagepunkte nicht zugelassen.

Wolbergs schildert, wie im Juni 2016 die Ermittlungen gegen ihn begonnen haben, wie die Staatsanwältin mit Kripobeamten und einem Durchsuchungsbeschluss in seinem Büro erschien. Damals habe er noch geglaubt, die Staatsanwaltschaft ermittele in Richtung Schuld und Unschuld, sagt er. Dieses Vertrauen habe er spätestens bei seiner Inhaftierung verloren. Im Januar 2017 war er in der Tiefgarage seines Wohnhauses festgenommen und später in die psychiatrische Abteilung des Straubinger Gefängnisses gebracht worden. »Die Zeit für mich war seit dem 14. Juni 2016 furchtbar, seit meiner Inhaftierung unvorstellbar.« Er berichtet von Dauervideoüberwachung wegen angeblicher Suizidgefahr, von abgehörten Telefonaten, medialer Anfeindung, von Durchsuchungen, falschen Verdächtigungen. Seine Kinder hätten aus dem Internet von seiner Inhaftierung erfahren.

Er betont, dass die Parteispenden für den Wahlkampf und die SPD gedacht waren und nicht für seine Person. Parteien seien auf Spenden angewiesen, weil es auf kommunaler Ebene keine staatliche Parteienfinanzierung gebe. Er habe sich stets an sämtliche Regeln bei der Annahme von Parteispenden gehalten, so Wolbergs. Es sei auch nicht verboten, dass Unternehmer spenden, ohne dafür öffentlich genannt werden zu wollen. Wenn jeder Unternehmer, der spendet, sofort unter Verdacht stehe, werde kein Unternehmer je wieder einen Cent an die Stadt spenden. Für die Vergabe des Areals der Nibelungenkaserne an Tretzel habe er gestimmt, weil es aus seiner Sicht schlichtweg der beste Vorschlag gewesen sei - so habe Tretzel mehr sozialen Wohnbau auf dem Gelände geplant als die anderen Bewerber und zudem Sozialwohnungen nach den gleichen Standards ausstatten wollen wie Eigentumswohnungen. Er fühle sich angesichts der Ermittlungen gegen ihn völlig nackt. »Ich verspüre eine gehörige Portion Wut.« dpa/nd

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