Schweigen ist Mist

Im Kino: »Alles wird gut« von Eva Trobisch über das Trauma einer Vergewaltigung

  • Gabriele Summen
  • Lesedauer: 3 Min.

Vor nahezu einem Jahr wurde der Hashtag MeToo im Zuge des Weinstein-Skandals ins Leben gerufen. Millionen von Frauen fühlten sich ermutigt, endlich ihr Schweigen zu brechen und über sexuelle Belästigungen und Übergriffe zu berichten. Doch die Kritik an der Bewegung ließ nicht lange auf sich warten. Künstlerinnen wie Catherine Deneuve und Ingrid Caven veröffentlichten einen offenen Brief, in dem sie um die sexuelle Freiheit bangten, die Philosophin Svenja Flaßpöhler kritisierte, die MeToo-Bewegung verdamme Frauen zur Passivität. Genau diese passive Opferrolle ist Janne aus Eva Trobischs Debütfilm »Alles ist gut«, der in Locarno mit dem Nachwuchspreis ausgezeichnet wurde, ein Gräuel.

Gebildet, gleichberechtigt und unkompliziert, wie sich die von Aenne Schwarz beeindruckend gespielte Protagonistin selbst sieht, ist die Rolle des Opfers für sie keine Option. In Trobischs realistisch inszeniertem Vergewaltigungsdrama, das auf dem Münchner Filmfest seine Premiere feierte, wird sie aber genau in diese Position gedrängt, als »es« ihr auch passiert: Auf einem Klassentreffen lernt sie zufällig Martin (Hans Löw) kennen, die beiden tanzen, trinken und haben miteinander Spaß. Als sie dem stockbetrunkenen Mann anbietet, bei ihr auf der Couch zu übernachten, meint sie es auch genau so.

Nur Martin will plötzlich mehr - und der zunächst etwas gehemmt wirkende Yuppie nimmt sich letztlich, was er will, und vergewaltigt Janne. Die zierliche Frau kann in den zwei demütigenden Minuten, die es dauert, kaum fassen, wie ihr geschieht. Danach haut Martin einfach ab.

Janne putzt sich die Zähne als wäre nichts gewesen, verkriecht sich ins Bett und möchte auch am nächsten Tag den Vorfall lieber vergessen. Schließlich hat ein befreundeter Verleger ihr einen Job als Lektorin angeboten; noch heute wird ihn Janne, die sich als Frau sieht, die stets alles im Griff hat, treffen. Wenn sie diesem schrecklichen Vorfall keine Macht über sich einräumt, kein Problem aus dieser Sache macht, hat sie auch kein Problem. Oder? - Das denkt sie jedenfalls. Gerne würde sie die Arbeit bei ihrem väterlichen Freund Robert (Tilo Nest) annehmen, da der kleine Verlag, den sie mit ihrem Lebensgefährten Piet (Andreas Döhler) betrieben hat, soeben Konkurs anmelden musste.

Doch der Schock ist groß, als sie den Schwager und Mitarbeiter ihres neuen Chefs kennenlernt: Es ist ihr Vergewaltiger Martin, der sich zwar inzwischen abgrundtief schämt und irgendetwas tun möchte, um alles wiedergutzumachen, Janne damit aber nur noch mehr bedrängt.

Der scheinbar zivilisierte, gebildete Mann als Opfer seiner Triebe - eine interessante Perspektive, die allerdings nicht genügend beleuchtet wird, um sich ein Bild machen zu können, und zudem wird durch den weiteren Verlauf der Handlung letztlich zu viel Mitleid mit dem Täter geweckt.

Janne will den Vorfall weiterhin ignorieren. Sie offenbart sich weder ihrem Mann, noch ihrer Mutter. Enge Freundinnen scheint sie merkwürdigerweise nicht zu haben. Stattdessen kümmert Janne sich mehr um die Eheprobleme ihres Chefs, der von seiner jungen Frau geschlagen wird - ein zusätzlicher Handlungsstrang, der zwar auch das Miteinander von Männern und Frauen thematisiert, hier aber nur verwirrt und das brisante Hauptthema unterläuft.

Eines wird jedoch durch Trobischs Film sehr deutlich: Schweigen ist Mist und MeToo war ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Janne nämlich, die ihr Trauma und ihre Wut immer weiter unterdrückt und niemanden einweiht, der ihr nahesteht, verliert zusehends den Kontakt zu sich selbst.

»Alles ist gut«, Deutschland 2018. Regie und Drehbuch: Eva Trobisch; Darsteller: Aenne Schwarz, Andreas Döhler, Lisa Hagmeister, Hans Löw, Tilo Rest, Lina Wendel. Länge: 93 Minuten.

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