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Ein Besuch mit Komplikationen

Zur Einweihung der DITIB-Moschee in Köln sorgte der türkische Präsident für ein geteiltes Echo

  • Sebastian Weiermann
  • Lesedauer: 4 Min.

Einfach war er nicht, der Besuch von Recep Tayyip Erdogan in Köln. In der Stadt am Rhein stand im Gegensatz zu Berlin die türkischstämmige Community in Deutschland im Mittelpunkt. Köln und Erdogan - das ist eine besondere Beziehung. 2010 sorgte eine Rede des türkische Präsidenten in der Stadt für Aufregung. Zitat Erdogan damals: »Assimilation ist ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit«. 2014 hielt der Politiker eine weitere Rede vor Tausenden Anhängern in der Stadt. Bei einer Demonstration seiner Anhänger in Köln, kurz nach dem Putschversuch 2016, sollte der Präsident per Videostream zugeschaltet werden. Polizei und Gerichte untersagten die Videobotschaft. Anhänger reagierten mit Wut, die Entscheidung trug zur Verschlechterung der deutsch-türkischen Beziehungen bei.

Und jetzt der Staatsbesuch. Mit der neuen DITIB-Zentralmoschee stand auch noch ein Gebäude im Mittelpunkt, das die Stadt über viele Jahre beschäftigte. Ein Architektenstreit und Proteste von Anliegern und Rechtsradikalen begleiteten Planung und Bau. Letztendlich sprach sich aber ein großer Teil der Stadtgesellschaft, angeführt vom ehemaligen Oberbürgermeister Fritz Schramma (CDU), für den Bau der Moschee aus.

Dass es nun Erdogan ist, der die Moschee eröffnete und dass die Stadt außen vor ist, hatte Schramma in den letzten Tagen wiederholt in Interviews kritisiert. Auch seine Nachfolgerin, die parteilose Henriette Reker, fand in den vergangenen Tagen deutliche Worte. Auf die Kritik des aus Köln stammenden AKP-Politikers Mustafa Yeneroglu, dass die Stadt sich ablehnend verhalte und dass es ein negatives Zeichen sei, dass Reker nicht an der Eröffnung teilnehme, antwortete die Oberbürgermeisterin: »Hätte die DITIB und die türkische Seite ein ernsthaftes Interesse an einer Teilnahme und einer Grußbotschaft der Stadt gehabt, wäre in den vergangenen Wochen ausreichend Zeit gewesen, angemessen dazu einzuladen.«

Die politische Missstimmung zwischen der Stadt und dem Moscheeverband war allerdings längst nicht die einzige Begleiterscheinung des Erdogan-Besuchs in Köln. Für Unmut bei Tausenden türkischstämmigen Menschen sorgte auch, dass eine an der Moschee geplante Feier nicht stattfinden konnte. Die Stadt lehnte ein erst am Freitag von der DITIB abgegebenes Sicherheitskonzept ab. Tausende Erdogan- und AKP-Fans machten sich trotzdem auf den Weg nach Köln, um einen Blick auf ihren Staatspräsidenten zu erhaschen. In türkische Fahnen gehüllt, ausgestattet mit unterschiedlichsten Erdogan-Fanutensilien harrten sie über Stunden an den Polizeiabsperrungen um die Zentralmoschee aus. Dabei zeigten die Anhänger des türkischen Präsidenten immer wieder den Gruß der rechten »Grauen Wölfe«, riefen »Allahu akbar« und machten mit martialischen Reden, in denen sie selbst sich als Erdogans Armee bezeichneten, auf sich aufmerksam. Rabiat traten auch einige türkische Sicherheitsleute auf, die selbstständig Straßen sperrten und dabei nicht darauf verzichteten, auch Journalisten zu schubsen.

Erdogan-Kritiker, wie der Boxer Ünsal Arik, eine Frau, die Erdogan auf einem Schild als Diktator bezeichnete, oder eine junge Frau, die mit einer Israel-Fahne gegen den Antisemitismus der AKP protestieren wollte, hatten es im Umfeld der Moschee nicht leicht. Arik wurde von der Polizei abgeführt, die Demonstrantin bekam Polizei zur Seite gestellt und die Antisemitismus-Kritikerin berichtete im Nachgang sogar über Morddrohungen. Die Polizei sagt, sie habe Versuche Andersdenkende einzuschüchtern »konsequent unterbunden«.

Um Andersdenkende ging es auch beim Empfang des NRW-Ministerpräsidenten Armin Laschet. Der CDU-Politiker teilte mit, er habe über »die Verhaftungswellen, von der auch deutsche Staatsbürger betroffen waren und sind, den Umgang mit der Pressefreiheit und den Umgang mit der Religionsfreiheit« mit Erdogan gesprochen. »Natürlich habe ich in diesem Zusammenhang auch sehr konkrete Fälle von Deutschen angesprochen, die immer noch in türkischen Gefängnissen festgehalten werden.

Ihre Familien stellen berechtigte Fragen und sind hin und her gerissen zwischen Hoffnungen und Befürchtungen.« Die inneren Entwicklungen in der Türkei bereiteten ihm Sorgen, so Laschet. Sie ständen auch einer Normalisierung der politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und der Türkei im Weg. Erdogan ging, zumindest in der Öffentlichkeit, nicht auf diese Kritik ein. Er forderte die doppelte Staatsbürgerschaft für Deutsch-Türken und kritisierte den Umgang mit den Fußballspielern Mesut Özil und Ilkay Gündogan.

Gegen den Besuch des türkischen Präsidenten wurde auch protestiert. Zu einer Kundgebung der alevitischen Gemeinde kamen einige hundert Menschen. Ein Kundgebung, die von kurdischen und deutschen Linken organisiert wurde, versammelte 2000 Demonstranten. Für diese relativ niedrige Zahl hat die Essener LINKEN-Politikerin Ezgi Güyildar eine bittere Erklärung: »Viele Menschen haben Angst.« Sie befürchteten Repressalien bei der Einreise in die Türkei, wenn sie bei derartigen Veranstaltungen gesehen werden. Trotzdem sei es ein wichtiges Zeichen, dass gegen Erdogan protestiert worden sei. Der türkische Präsident gehöre »vor den internationalen Gerichtshof in Den Haag und nicht zu einem Staatsbesuch nach Deutschland«, erklärte Ezgi Güyildar.

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