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Ein bisschen Fahrverbot

Verwaltungsgericht will alte Dieselautos aus der Innenstadt verbannen, aber nicht flächendeckend

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

Wo es ganz schlimm ist, werden spätestens ab Ende Juni ältere Autos und Laster mit Dieselmotoren nicht mehr fahren dürfen. Das hat das Berliner Verwaltungsgericht am Dienstag entschieden. Die Richter folgten damit teilweise einer Klage des Vereins Deutsche Umwelthilfe (DUH). Wie in anderen Städten auch forderten die Umweltaktivisten ein umfassendes Dieselverbot in der bereits existierenden Umweltzone innerhalb des S-Bahnrings.

Pkw und Lkw der Schadstoffklassen Euro 1 bis Euro 5 sollen auf elf Abschnitten von insgesamt acht Straßen ausgesperrt werden. Betroffen sind die Leipziger, Friedrich-, Reinhardt- und Brückenstraße in Mitte, Alt-Moabit und Stromstraße in Moabit, der Kapweg am Reinickendorfer Kurt-Schumacher-Platz sowie die Leonorenstraße in Lankwitz. Das erklärte der Vorsitzende Richter Ulrich Marticke in der mündlichen Verhandlung.

Die Umwelthilfe wollte zunächst deutlich mehr. Sie forderte Fahrverbote auch für Modelle der Euronormen 6a, 6b und 6c, die zum Teil noch als Neuwagen verkauft werden. Einzig Diesel nach Euronorm 6d sollten noch in der Umweltzone verkehren dürfen, weil sie die ersten Fahrzeuge sind, die auch im Realbetrieb die gesetzlichen Grenzwerte für den Stickstoffdioxidausstoß einhalten. Auch alte Benziner bis zur Schadstoffklasse Euro 3 sollten nach dem Willen der DUH nicht mehr in die Innenstadt dürfen. Diesen Antrag ließen sie jedoch im Laufe der Verhandlung fallen.

»Wir möchten die saubere Luft in Berlin durchsetzen«, sagt Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der Umwelthilfe. »250 000 Menschen in der Hauptstadt leiden an Asthma. Die sollen auch mal in den Fokus rücken, nicht nur die Dieselfahrer«, fordert er. Immerhin eine »robuste Diskussion« zum Thema Diesel habe man mit den Gerichtsverfahren anleiern können, freut er sich.

Nicht nur das. In anderen Städten wurden auch schon Fakten geschaffen. In Hamburg gibt es seit Juni auf zwei Straßen Durchfahrverbote. In einem Fall gilt es für Pkw und Lkw bis zur Euro-5-Norm, im anderen Fall sind nur größere Laster ab 3,5 Tonnen Gewicht betroffen.

Ab 2019 soll sogar die ganze Stuttgarter Innenstadt tabu für ältere Diesel sein - das ist eher eine Regelung nach dem Geschmack der DUH. Allerdings gilt eine ganze Reihe von Ausnahmen. Neben Behörden- und Lieferfahrzeugen sind auch Kleinbetriebe, Schichtarbeiter, Behinderte und noch viele weitere Gruppen von den Beschränkungen ausgenommen.

Solche Ausnahmen hält auch das Verwaltungsgericht für denkbar. Richter Marticke betont immer wieder den Entscheidungsspielraum der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Einzig für die acht genannten Straßen gebe es aufgrund der Stickstoffdioxidkonzentrationen, die weit über den Grenzwerten liegen, »null Gestaltungsspielraum«. Für weitere 120 Abschnitte, die zusammen 15 Kilometer lang sind, müsse die Senatsverwaltung Fahrverbote prüfen. Einen großen zeitlichen Spielraum sieht er angesichts der seit knapp neun Jahren überschrittenen Grenzwerte nicht. »Und den Umstand, dass die Prognosen nicht stimmen, kennt man inzwischen seit grob drei Jahren«, merkt er noch an. Bis 31. März kommenden Jahres müsse der Senat den neuen Luftreinhalteplan mit den entsprechenden Maßnahmen beschließen, so Marticke. Vorbereitende Maßnahmen müssten jedoch »ab morgen« starten.

»Fahrverbote treffen den Lebensnerv einer pulsierenden Metropole«, erklärt Stephan Schwarz, Präsident der Handwerkskammer Berlin. Handwerker seien auf die Nutzung von Dieselfahrzeugen angewiesen, mit denen sie ihre Kunden in der Innenstadt problemlos erreichen könnten.

»Mit über dem Stadtgebiet verteilten Einzellösungen werden die Stickoxid-Belastungen lediglich anders verteilt, nicht generell gemindert«, kritisiert Martin Schlegel, Verkehrsexperte des Umweltverbandes BUND Berlin die Lösung und bedauert, dass ein flächendeckendes Verbot »rechtlich leider nicht durchsetzbar« gewesen sei.

»Wir dürfen die Gesundheit der Berlinerinnen und Berliner nicht länger aufs Spiel setzen. Fahrverbote müssen kommen!«, fordert der Grünen-Landesvorsitzende Werner Graf.

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