Gewinne dank Fallpauschalen

Der Erfolg von Krankenhäusern bemisst sich nicht mehr nach ihrer Qualität, sondern nach ihren Finanzen

  • Britta Rybicki
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ursprünglich sollten Fallpauschalen Transparenz schaffen und die Kosten im Zaum halten«, sagt Harald Weinberg, Sprecher für Krankenhauspolitik der Bundestagsfraktion der Linkspartei. Der Begriff besagt, dass die Krankenkassen medizinische Leistungen im Krankenhaus pro Behandlungsfall bezahlen und dafür jeweils eine pauschale Summe vorgegeben ist. Dies unterscheidet sich von einer Vergütung einzelner Leistungen oder für einen bestimmten Zeitraum. Ziel war es, die Ausgaben der Kassen zu minimieren.

Eine Software, die den Leistungsumfang eines Krankenhauses gemäß Fallpauschalen (DRG) erfasst und abbildet, klingt erst mal nicht schlecht. Dadurch, dass es nur Geld für Behandlungsfälle gibt, setzt sich das Budget eines Krankenhauses durch die Anzahl seiner Patienten und ihren Behandlungen zusammen. Ein vermeintlich fairer Wettbewerb zwischen den Kliniken sollte durch das System der Fallpauschalen langfristig auch zu einer höheren Versorgungsqualität führen. Und mit dem ökonomischen Sachzwang sollte nicht mehr der zuständige Landrat darüber entscheiden, ein Krankenhaus zu schließen. Die vermeintlich effizientesten Kliniken sollen sich am Ende durchsetzen und die mit mangelhafter Versorgungsqualität werden geschlossen. Das war der Plan. Tatsächlich nutzen die Krankenhäuser die Fallpauschalen zur Steigerung ihrer Einnahmen.

Doch schon vor der Einführung des DRG-Systems warnten Experten vor den Folgen der Ökonomisierung des Gesundheitssystems. 14 Jahre später bewahrheiten sich die Befürchtungen: Es herrschen Personalnot, Über-, Unter- und Fehlversorgung. »Wie lange der Krankenhausaufenthalt eines Patienten dauert, richtet sich nicht mehr allein danach, wie krank er ist, sondern wie gewinnbringend sich seine Behandlung letztlich abrechnen lässt«, sagt Linkspolitiker Weinberg gegenüber »nd«. Wodurch auch das Ärzte- und das Pflegepersonal unter Zeitdruck und in Arbeitshetze gerät. Für die Einhaltung von Hygienestandards, für Patientengespräche, eine angemessene pflegerische Zuwendung oder die Weiterbildung junger Kollegen ist kaum noch Zeit.

Die öffentlichen Auseinandersetzungen zeigen mittlerweile Wirkung, was das Bündnis »Krankenhaus statt Fabrik« für sich nutzen möchte. »Das Pflegepersonalstärkungsgesetz, was zuletzt von der Bundesregierung erlassen wurde, hebt zumindest in der Pflege den wirtschaftlichen Druck auf - was ein erster Schritt sein könnte«, sagt Weinberg. Die Pflege eines Patienten soll künftig also nicht mehr durch eine feste Pauschale festgelegt werden, sondern ist bedarfsabhängig je Krankenhaus. Außerdem kann das Pflegepersonal aufgestockt werden - auch wenn das den Krankenhäusern derzeit nicht die Türen einrennt.

»Trotz aller Freude widmen wir uns auf dem Kongress vor allem der Krankenhausfinanzierung und den Alternativen zu den Fallpauschalen«, sagt Nadja Rakowitz, Sprecherin des Bündnisses. So gab es am ersten Konferenztag eine allgemeine Einführung in das DRG-System, während es am zweiten um Visionen für eine alternative Krankenhausfinanzierung ging.

Mittlerweile sind nach Angaben von Rakowitz auch die Krankenkassen dahinter gekommen, dass es eine massive Überfinanzierung gibt. »Laut Techniker Krankenkasse sind 85 Prozent der Bandscheibenoperationen unnötig. Der ökonomische Druck führt in Krankenhäusern also dazu, dass sie Fälle kreieren«, so Rakowitz. Der Spitzenverband der Krankenkassen schlug deswegen schon vor Jahren das Prinzip »Pay for Performance« oder »Selektivverträge durch Marktpreise« vor. Bei ersterer ist die Überlegung, dass man nur gute Krankenhäuser mit Budget belohnt. Was nach Ansicht von Rakowitz aber die vollkommen falsche Herangehensweise ist, weil »schlechte Performance meistens mit Personalmangel zusammenhängt und die Probleme durch eine derartige Bestrafung nur noch größer werden«. Außerdem vermutet das Bündnis, dass es unter jetzigen Bedingungen zu einer Patientenselektion kommen würde. »Man würde junge Patienten bevorzugen, weil sie ein besseres Ergebnis versprechen als ältere, bereits erkrankte Patienten«, sagt Rakowitz. Und was genau sich hinter Selektivverträgen verbirgt, die durch Marktpreise festgelegt werden, können die Experten nur vermuten, da es derzeit in Deutschland nichts Vergleichbares gibt. »Vermutlich würde man dadurch auch nur wieder wirtschaftlichen Druck erzeugen, weil Krankenhäuser in Bundesländern miteinander in Konkurrenz treten würden, da jedes einen Einzelvertrag mit den Krankenkassen abschließen würde.«

Neben einer neuen Krankenhausfinanzierung fordert das Bündnis, Krankenhäuser künftig ausschließlich in öffentliche Hand zu legen. Die Lösung für die akuten Probleme sehen sie jedoch in einer gesetzlichen Personalbemessung. »Je weniger Personal, desto mehr Patienten sterben. Weshalb eine Gesetzesvorgabe hier höchste Priorität sein sollte und zwar für alle im Krankenhaus arbeitenden Berufsgruppen«, findet Rakowitz.

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